Wien – Wenn eine Frau zu einem Mann sagt "I love you, you know", dann ist die Sache im Grunde schon gelaufen. Denn in diesem "you know" stecken sämtliche Abgründe der Rückversicherung, der Beobachtung, des Zweifels, von denen Beziehungen geprägt sind. Vieles kann man wissen, aber bei der Liebe hört sich das mit dem Wissen auf, fängt vielleicht sogar das Glauben an.

"I love you, you know", sagt eine junge Frau namens Ingrid in Susan Sontags Duett för kannibaler zu ihrem Freund Tomas. Sie sagt es auch, um ihm Mut zuzusprechen. Denn Tomas hat eine neue Aufgabe, er wird als Sekretär bei einem Mann namens Bauer anfangen, einem alten Schweden, der eine bedeutende politische Figur war und dessen Papiere nun zu ordnen sind: Nachlassvorarbeit. Bauers junge Frau heißt Francesca, sie kommt Tomas näher, indem sie mit ihm gemeinsam einen Canto aus Dantes Göttlicher Komödie rezitiert. Aus dem Paradies.

Ein Kammerspiel aus dem Geist Ingmar Bergmans: Susan Sontags "Duett för kannibaler" (1969).
Foto: Stadtkino Filmverleih

Susan Sontag (1933–2004) stand auf einem frühen Höhepunkt ihres Ruhms als Intellektuelle und Kritikerin, als sie 1969 Duett för kannibaler schuf, ein Kammerspiel aus dem Geist Ingmar Bergmans. Ein Jahr später ließ sie Bröder Carl folgen – das waren dann im Wesentlichen aber schon ihre Versuche mit dem Kino, was den Spielfilm anbelangt. In der Literatur unternahm sie ähnliche Anstrengungen, dort kam sie aber spät noch einmal auf die Romanform zurück. Die Filmreihe "Susan Sontag Revisited", die das Stadtkino gemeinsam mit den Wiener Festwochen ausrichtet, hat aber noch einiges mehr zu bieten als die beiden frühen Psychothriller, die das Stigma der Epigonalität nie so richtig loswerden.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Dokumentarfilm Promised Lands, entstanden in der Folge des Jom-Kippur-Krieges in Israel-Palästina 1973. Sontag zeigt sich hier als radikal parteiische Beobachterin, ergreift allerdings für beide Seiten Partei. Das zeigt sich auch in der Entscheidung für zwei Erzählstimmen. Neben Claude Lanzmanns Pourquoi Israel? (1973) ist Promised Lands der bedeutendste Dokumentarfilm aus dieser Periode des israelisch-palästinensisch-arabischen Konflikts.

Susan Sontag war eine engagierte Intellektuelle, vergleichbar dem Franzosen Bernard-Henri Lévy, dem sie in den 1990er-Jahren dann auch begegnete, als die Stadt Sarajevo zu einem neuen Barcelona wurde – zu einem Ort, an dem sich die fortschrittliche Internationale traf, um das Schicksal einer Belagerung durch Reaktionäre und Nationalisten zu teilen. Eine Inszenierung von Warten auf Godot, die damals entstand, wurde auch dokumentiert: Dieser Bericht bildet nun mit einem weiteren kurzen Film über Pina Bausch ein Programm im Rahmen von "Susan Sontag Revisited".

Plädoyers für das Komplexe

So verdienstvoll diese Reihe ist, die bereits seit einigen Jahren durch die Lande tourt, so reizvoll ist der Gedanke an eine mögliche andere Filmreihe: eine zu Susan Sontags Begriff vom Kino. Sie würde die wichtigsten Werke umfassen, die sie in ihren Texten verfochten hat. Sontag war eine Kritikerin, die mit dem gesamten Arsenal der ästhetischen Theorie zu operieren wusste und sich insofern mit komplexen, hybriden Werken leichter tat. Dass sie Godard schon 1968 als einen Gesamtkünstler zu würdigen wusste, war kein großes Wagnis, öffnete aber doch für das Verständnis ganz neue Dimensionen.

Sontags eigentlicher Coup war jedoch sicher das leidenschaftliche Engagement für Hans-Jürgen Syberbergs Hitler (1977), einen Film aus Deutschland, dem sie nahezu im Alleingang den singulären Rang zuwies, der ihm gebührt – als große, symbolistische Studie über das Schuldigwerden in der Geschichte. Später machte sie sich auch noch für Alexander Sokurow stark. Und man wird das Gefühl nicht los, dass die eigentliche Susan Sontag in diesen Plädoyers steckte.

Andererseits war sie von allen großen Intellektuellen diejenige, die am stärksten auf die andere Seite tendierte: das selbst zu machen, was zu begreifen ihre Arbeit war. In der Kunst gilt das Gleiche wie in der Liebe: Zu viel Wissen tötet manchmal die Inspiration. Dieses Dilemma aber wird an Sontags Romanen deutlicher ersichtlich als an ihren Filmen. Wer sich für "Susan Sontag Revisited" interessiert, könnte also zumindest noch den Roman In Amerika (1999) lesen, in dem es nicht zuletzt um ein (hochkulturelles) Showgeschäft kurz vor der Ankunft des Kinos geht. (Bert Rebhandl, 19.5.2016)