Interpretationsspezialist Mario Wallner analysiert die geophysikalischen Daten aus Stonehenge.

Foto: Tanja Trausmuth

Klaus Löcker macht das "Spidar"-Bodenradar einsatzbereit für die Prospektion des Cursus.

Foto: Mario Wallner

Nacht über Stonehenge, ganz rechts die Lichter unseres Bodenradars "Mira 1".

Foto: Jakob Kainz

Spektakulärer Sonnenaufgang während unserer Messung in Stonehenge.

Foto: Jakob Kainz

Die Bloggerin steuert das "Mira 1"-Bodenradar im Steinkreis.

Foto: Viktor Jansa

Das Team der Kampagne 2016 (von links): Eamonn Baldwin, Viktor Jansa, Jakob Kainz, Mario Wallner, Tanja Trausmuth, Klaus Löcker und Petra Schneidhofer.

Foto: Petra Schneidhofer

Als wir an einem Februartag um 5.30 Uhr mit unserem Bodenradar "Mira 1" über einen Feldweg auf Stonehenge zufahren, bin ich leicht angespannt. Die Erlaubnis dafür, als erstes Team den Bereich innerhalb des Steinkreises mit motorisierten geophysikalischen Messgeräten zu untersuchen, haben wir erst am Tag davor von der Denkmalschutzbehörde Historic England erhalten und eigentlich schon gar nicht mehr damit gerechnet. Es ist stockdunkel, und mir ist eiskalt – die Temperaturen sind mit minus fünf Grad Celsius ungewöhnlich niedrig für Südengland.

Aber der Reihe nach.

Vergangenen Herbst fragt mich mein Kollege Klaus Löcker, ob ich im Februar Zeit für drei Wochen Prospektion in Stonehenge hätte. Sicher, antworte ich betont lässig, setze mich wieder an meinen Schreibtisch und grinse den restlichen Tag vor mich hin. In Stonehenge zu arbeiten, ist für Archäologen ein bisschen so wie als österreichischer Fußballnationalspieler zur EM-Endrunde zu fahren. Nicht, dass Archäologen auf anderen Fundstellen nicht ebenso Bedeutendes leisten, aber Stonehenge ist nun mal Stonehenge: Unesco-Weltkulturerbe, neolithische Ikone, vor allem aber für viele das archäologische Monument schlechthin. Darum ist auch alles, was mit Stonehenge zu tun hat, streng reglementiert, um diesen besonderen Ort der Menschheitsgeschichte möglichst ungestört zu erhalten. Dazu gehört eine absolute Flugverbotszone ebenso wie die durchgehende Bewachung des Geländes und geordnete Besucherströme.

Landschaft unter Denkmalschutz

Doch nicht nur der Steinkreis selbst steht unter Denkmalschutz, auch die archäologische Landschaft, die ihn umgibt und mit ihr zahlreiche bekannte Monumente, unter anderem Cursus und Avenue, Avebury, Woodhenge und natürlich das Superhenge Durrington Walls. Zerstörende archäologische Untersuchungen wie etwa Ausgrabungen dürfen in diesem Gebiet nur sehr beschränkt durchgeführt werden, und auch nur dann, wenn der zu erwartende Informationsgewinn den Eingriff in den Boden rechtfertigt. Wir Archäologen stecken hier natürlich in einem Dilemma, denn gerade für die Erforschung der Urgeschichte sind wir im Allgemeinen auf nicht-schriftliche Quellen, sprich Bodendenkmäler, angewiesen.

Um trotz dieser Einschränkungen mehr über die archäologische Landschaft um Stonehenge zu erfahren, wurde 2010 das "Stonehenge Hidden Landscape Project" unter Führung der Universität Birmingham und dem Ludwig Boltzmann Institut ArchPro gestartet. Ziel des Projektes war die großflächige Prospektion der archäologischen Landschaft um Stonehenge mittels zerstörungsfreier Methoden der Geophysik und der Fernerkundung. In den vergangenen sechs Jahren wurden in sieben Kampagnen insgesamt 9,3 Quadratkilometer Magnetik- und 2,4 Quadratkilometer Bodenradardaten gemessen, kartiert und durch Spezialisten wie meinen Kollegen Mario Wallner archäologisch interpretiert.

15 neu entdeckte Fundstellen

Die Ergebnisse sprechen für sich: 15 neu entdeckte Fundstellen und eine bislang unerreichte Fülle an Details zu den bereits bekannten Monumenten in der Landschaft um Stonehenge. Wie so oft haben sich durch dieses Projekt aber auch jede Menge neuer Fragestellungen ergeben. Die Prospektionskampagne im Februar 2016 konzentriert sich deshalb auf ganz spezielle Areale – unter anderem in Durrington Walls –, die nochmals genauer und mit komplementären Techniken untersucht werden sollen. Zu diesem Zweck bringen wir unsere beiden hochauflösenden Bodenradarmessgeräte "Mira 1" und "Mira 2" nach Stonehenge, und zusätzlich das etwas geländegängigere und schnellere "Spidar".

Feldarbeit mit spektakulärer Aussicht

Die ersten Tage nach unserer Ankunft sind ausgefüllt mit dem Aufbau der Satellitennavigation, dem Entladen und Zusammenbauen der Messgeräte und dem Inspizieren der zu untersuchenden Flächen. Sobald alles läuft, beginnt die eigentliche Feldarbeit. Wir sitzen abwechselnd für einige Stunden in beziehungsweise auf unseren Messgeräten und fahren die vorgegebenen Messflächen ab. Das klingt eintönig, kann aber durchaus spannend werden, wenn die Vorabprozessierung der Daten interessante Ergebnisse liefert, aber auch, wenn unsere Messgeräte andere Dinge tun, als sie eigentlich sollten, oder Bodenbeschaffenheit und Witterung extrem werden. Ich für meinen Teil freue mich über die Abwechslung, die die Feldarbeit vom Arbeitsalltag vor dem Computer mit sich bringt und genieße die spektakuläre Aussicht auf Stonehenge.

Mit dem Messen allein ist es allerdings nicht getan. Klaus Löcker, der die geophysikalische Prospektion in Stonehenge leitet, kümmert sich um Logistik, Infrastruktur, hält Kontakt mit den Farmern der betroffenen Felder und mit Historic England und bringt widerspenstige Messgeräte wieder zum Laufen. Er achtet aber auch auf unser leibliches Wohl, kocht und führt uns an einigen Abenden mit Begeisterung in die englische Pub-Kultur ein.

"Historic England" gibt grünes Licht

Während die Prospektion voranschreitet, warten wir gespannt, ob wir die Erlaubnis für Messungen unmittelbar im und um den Steinkreis erhalten. Und tatsächlich, an einem unserer letzten Tage gibt Historic England grünes Licht. Wir bekommen ein Zeitfenster von drei Stunden zwischen 5 und 8 Uhr morgens zugewiesen, bevor das Monument für die Touristen geöffnet wird.

Es ist immer noch dunkel, als wir am Steinkreis ankommen und ein Wächter uns den Zaun der angrenzenden Weide öffnet. Ich lenke das Bodenradar vorsichtig über gefrorene Maulwurfshügel und sehe dann zum ersten Mal schemenhaft die Trilithen, die sieben Meter hoch vor mir aufragen. Erst jetzt wird mir so richtig bewusst, welche Leistung die prähistorischen Gesellschaften vollbracht haben müssen, um dieses Monument zu errichten. Sobald die Satellitennavigation steht, beginnen wir mit der Prospektion. Das Rangieren mit dem Bodenradar innerhalb des Steinkreises erfordert volle Konzentration, noch dazu schirmen die Steine das GPS-Signal ab und machen die zentimetergenaue Positionierung des Messgeräts zum Geduldspiel. Während wir arbeiten, verfliegt die Zeit und langsam klettert die Sonne über den Horizont und an den Steinen hoch. Mario Wallner wechselt mich am Radar ab und ich habe noch ein paar Minuten, um die Morgenstimmung an diesem einzigartigen Ort zu genießen.

Archäologisches Puzzle

Um Punkt acht Uhr bittet der Wächter uns freundlich, den Steinkreis zu verlassen. Wir machen noch schnell ein Foto mit unserem Bodenradar vor dem Steinkreis und nehmen den Hinterausgang über die Schafweide, während die ersten Touristen bereits auf das Monument zuströmen. Ich friere erbärmlich, zum Teil, weil die Aufregung vorbei ist, zum Teil, weil die Müdigkeit mich einholt. Unser Tag ist allerdings noch lange nicht vorüber, nach einem ausgiebigen englischen Frühstück besteigen wir wieder unsere Messgeräte und messen bei eisigem Wind noch bis fünf Uhr nachmittags.

Die Messung im Steinkreis war sicherlich der Höhepunkt unserer diesjährigen Kampagne. Und trotzdem stellt er nur einen kleinen Teil im archäologischen Puzzle der Landschaft um Stonehenge dar. Einige der Ergebnisse unserer langjährigen Untersuchungen können bereits in der Ausstellung "Stonehenge – Verborgene Landschaft" im Mamuz-Museum Mistelbach besichtigt werden. Und sie zeigen sehr deutlich, welch wichtige Rolle die großflächige Prospektion spielt, wenn es darum geht, das Bild der Landschaft um Stonehenge zu verdichten. (Petra Schneidhofer, 19.5.2016)