Die Steuerreform bringt im Schnitt pro Kopf 75 bis 100 Euro im Monat. Etwas mehr als die Hälfte davon wird gespart.

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Wien – "Die Steuerreform ist wie leichter Regen, der jedoch den Boden nicht benetzt. Das Geld daraus kommt im Handel nicht an." Stephan Mayer-Heinisch zweifelt daran, dass heuer der private Konsum anspringt. Zu schlecht sei die Stimmung, zu sehr lasteten höhere Gebühren an anderer Front auf den Einkommen der Österreicher, glaubt der Präsident des Handelsverbands. Er erwartet quer durch die Branchen stärkeren Jobabbau, was die Kaufkraft noch zusätzlich schwäche. Zwar werde sich mancher Arbeitsplatz vom Einzelhandel in die Logistik verlagern. Fraglich sei aber, ob dieser dann weiterhin in Wien vorzufinden sei.

Mayer-Heinisch sieht den Handel seit vielen Jahren in der Defensive und den gefräßigen Staat Konsumenten das Geld abjagen. Was seine Einschätzung zu den fehlenden Effekten der Steuerreform betrifft, ist er freilich nicht allein.

"Ich würde gern wissen, wo diese Milliarden geblieben sind. Im Lebensmittelhandel sind sie nicht angekommen", sagt Christof Kastner. Vielmehr berichtet der Großhändler von Kunden und Gastronomen, die heuer öfter denn je zu billigen Handelsmarken greifen. Die Steuerreform bezeichnet er als Wahlzuckerl, das man sich hätte sparen können. "Den Leuten wurde das Geld an anderer Stelle wieder aus der Tasche gezogen."

Schlechtes Klima

Das Konsumklima in Österreich sei schlechter als in anderen Ländern der EU, sagt Gerald Zimmermann, Chef der Schuhhandelskette CCC. Es seien vor allem der lange Stillstand in der Politik, Angst um Jobs und Flüchtlingsthemen, die viele Konsumenten lieber sparen ließen, als Geld für Vergängliches wie Mode auszugeben. Ganz abgesehen davon, dass auf Branchen wie die seine Faktoren wie das Wetter weit mehr Einfluss hätten "als ein Steuerreförmchen".

"Wir haben kein Umsatz-, sondern ein Margenproblem, und das wird keine Steuerreform lösen", sagt Peter Osel, Red-Zac-Chef, mit Blick auf den Elektrohandel. Früher habe es einmal jährlich Abverkauf gegeben, mittlerweile spiele es ihn das ganze Jahr über.

Wie er sehen sich auch Sportartikelhändler nicht von der Reform profitieren: Die Witterung sei weit wichtiger, resümiert Sport-2000-Chef Holger Schwarting.

Die KMU-Forschung macht für den Einzelhandel im ersten Quartal ein kleines Umsatzplus von 1,7 Prozent aus. Die Statistik Austria erhob einen Zuwachs von real 1,4 Prozent. Positiv für die Bilanz: Ostern fiel heuer mit hinein. Während sich Spielwaren- und Lebensmittelhändler, zumindest was den Umsatz betrifft, gut schlugen, glitten Branchen rund um Mode und Sport ins Minus ab. "Der große Schwung durch die Reform blieb bisher aus", sagt René Tritscher, Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer. Bei der Dynamik des Konsums falle Österreich in der EU auf eine Ebene mit Griechenland zurück.

Hälfte wird gespart

63 Milliarden Euro sind im Handel in Österreich im Jahr zu verteilen. Die verfügbaren Einkommen stiegen durch die Reform um 0,9 Prozent, das bedeute pro Kopf monatlich im Schnitt zwischen 75 und 100 Euro netto mehr auf dem Lohnzettel, sagt Wifo-Experte Jürgen Bierbaumer. Davon werde etwas mehr als die Hälfte gespart, der Rest fließe in den Konsum.

Er gehe davon aus, dass sich Effekte der steuerlichen Entlastung zeitverzögert in ein, zwei Quartalen zeigten. Auf null reduzieren würde er sie nicht. Auch wenn das Konsumentenvertrauen sehr niedrig sei und öffentliche Gebühren ebenso überdurchschnittlich gestiegen seien wie Wohnkosten.

Für Wolfgang Richter, Chef der RegioData Research GmbH, reagieren die Österreicher in ihrem Kaufverhalten so gut wie gar nicht auf äußere Einflüsse, Schwankungen spiegelten sich eher in Sparquoten wider. Dem Einzelhandel komme weniger als ein Drittel des verfügbaren Geldes zugute. Und letztlich stecke es manch Konsument "halt lieber in Urschreiseminare oder Schönheitsoperationen als ins hundertste Paar Schuhe". (Verena Kainrath, 18.5.2016)