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Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist es – geht es nach der Einschätzung von Experten – für zunehmend weniger Menschen.

Foto: Reuters/SHANNON STAPLETON

Wien/Berkeley – In einem Vortrag in der Wirtschaftskammer Österreich hat am Dienstag der Ökonom Alan J. Auerbach von der Universität Berkeley in Kalifornien Reformbedarf für das Niedrigsteuerland USA geortet. Nur so könne das Defizitproblem bekämpft werden. Die Steuervorschläge der drei Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, Hillary Clinton und Bernie Sanders erachtet er allerdings als unrealistisch.

Auerbach skizzierte die Lage für die US-Fiskalpolitik: Nach der schwersten Rezession seit der Great Depression (Weltwirtschaftskrise) weise die US-Wirtschaft noch immer nur niedrige Wachstumsraten auf. Die Arbeitslosenrate sei zwar von 10 Prozent 2010 auf rund 5 Prozent zurückgegangen. Allerdings würden sich deutlich weniger Menschen überhaupt am Arbeitsmarkt beteiligen. Der Produktivitätszuwachs der US-Wirtschaft (ohne Landwirtschaft) sei mit 1,2 Prozent jährlich seit 2007 (im Schnitt der Periode 2007 bis 2015) sehr niedrig, von 2000 bis 2007 lag der Zuwachs noch bei 2,6 Prozent.

Wachsende Ungleichheit

In der US-Gesellschaft wachse die wirtschaftliche Ungleichheit, erläuterte Auerbach. Das reichste Prozent habe zwar in den Wirtschaftskrisen viel verloren, aber rasch wieder aufgeholt. Die Spitzenverdiener, das reichste Prozent der Bevölkerung, erhalten 14,5 Prozent aller Einkommen, zahlen aber 24,0 Prozent aller Einkommenssteuern auf Bundesebene. Rund die Hälfte der Einkommensbezieher zahle gar keine Bundes-Einkommenssteuer, allerdings falle bei ihnen eine "Pay Roll Tax" in Höhe von 15 Prozent des Einkommens an. Auerbach sieht die wachsende Ungleichheit als soziales Problem für die USA: So gehe etwa die Lebenserwartung zwischen Reichen und Ärmeren auseinander, der soziale Abstieg bzw. Armut sei wohl auch für mehr Selbstmorde und Drogensüchtige verantwortlich.

Eine echte Mehrwertsteuer (VAT) gebe es in den USA keine, und auch in den Reformvorschlägen für das Steuersystem gebe es eigentlich keine Rufe sie einzuführen, erläuterte Auerbach. Dafür stehe die Besteuerung der Unternehmen auf dem Prüfstand: Derzeit gebe es eine – im internationalen Vergleich eher hohe – Corporate Tax mit einem Steuersatz von 35 Prozent. Allerdings gebe es viele Möglichkeiten, dieser Besteuerung auszuweichen. Insgesamt seien die USA ein Niedrigsteuerland mit einer Steuerquote deutlich unter dem Schnitt der OECD-Länder.

Stillstand der Steuerpolitik

Die Reformvorschläge der drei Bewerber um das US-Präsidentenamt hält Auerbach für unrealistisch. Während der mutmaßliche Kandidat der Republikaner, Donald Trump, riesige Steuerkürzungen fordere, wolle Bernie Sanders von den Demokraten enorme Ausgabensteigerungen durchsetzen. Beide würden aber nichts zu den daraus resultierenden Problemen für das Budget sagen. Hillary Clinton, die derzeit im Vorwahlkampf bei den Demokraten in Führung liegt, wolle nur die Reichsten stärker besteuern – so viel Geld sei dort aber auch nicht zu holen, denn Großkapital sei sehr empfindlich, meinte der Ökonom. Über Reformen bei den großen staatlichen Ausgabenprogrammen wie Pensionen, Gesundheit und Soziales, spreche eigentlich keiner der Kandidaten, bemängelte der US-Ökonom.

Bis zum Wahltermin im November rechnet Auerbach mit einem Stillstand der Steuerpolitik. Dann könnte am ehesten eine Reform der Unternehmensbesteuerung erfolgen, durch die der Steuersatz von 35 Prozent gesenkt werde, die aber durch eine Änderung der Rahmenregelungen mehr Unternehmen überhaupt in Besteuerung bringe und dadurch aufkommensneutral sein könnte. (APA, 17.5.2016)