Reini Barta (2. v. li.), Chef des Brauhauses Gusswerk in Hof bei Salzburg, besetzt mit Kollegen einen Biertank.

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Frisch Gezapftes vom Brauhaus Gusswerk in Hof bei Salzburg.

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Schon seit den 1990ern am Brauen: das Siebensternbräu.

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An der US-Szene orientiert: die Wiener 1516 Brewing Company.

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In Kärnten braut man bei Loncium seit dem Jahr 2007.

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Zum Bierbrauen braucht man nach landläufiger Meinung viererlei: Wasser und Malz, ein wenig Hopfen und noch weniger Hefe. Und, das darf man nicht außer Acht lassen: Geld, um eine Brauerei einzurichten, sei sie auch noch so bescheiden. Die wichtigste Bierzutat ist aber Mut – der Mut, überhaupt ins Braugeschäft einzusteigen, und der Mut, Biere zu brauen, die anders sind als das, was man ohnehin in jedem Supermarkt kaufen kann.

Da beginnt sich rasch die Spreu vom Weizen (oder, weil wir beim Bier sind, die Spelze von der Gerste) zu trennen: Denn viele der Kleinbrauereien, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, hatten diesen Mut zur Differenzierung nicht. Da werden dann Biere gebraut, die als "Helles" verkauft werden – obwohl gerade dieser Bierstil (ähnlich wie das österreichische Märzen) eine Perfektion der Brautechnik und ein Können des Braumeisters verlangt, wie sie eben nur in größeren Betrieben zu finden sind.

Es bedarf also auch des Mutes, klar abzugrenzen und sich auf das zu konzentrieren, was auch die einfachen Anlagen einer Gasthausbrauerei in guter, oft sogar exzellenter Qualität hervorbringen können. Einer der ersten Österreicher, die das verstanden haben, war Siggi Flitter, dessen Siebensternbräu schon in den 1990er-Jahren das erste österreichische Pale Ale auf den Markt gebracht hat. Flitters Gasthausbrauerei zelebrierte die Bierkultur, indem sie sich bei amerikanischen Rezepten auf das Wissen eines amerikanischen Brauers verließ und indem sie sich beim Prager Dunkel auf die Erfahrung eines tschechischen Braumeisters stützte.

Tränenreich

Die Experimentierfreude des Siebensternbräu inspirierte auch andere. Lange bevor der Begriff Craft-Beer in der Szene verankert wurde, hatte es im Wieden-Bräu Sondersude mit Ingwer, im Brauhaus Neufelden ein Bier mit Roten Rüben, in der Handbrauerei Forstner ein Styrian Ale gegeben.

Und in der Wiener Innenstadt etablierte sich die 1516 Brewing Company, deren Gründer Horst Asanger schon mit der Namensgebung darauf hindeutete, dass er sich mehr an der US-Szene als an den bestehenden Gasthausbrauereien orientiert. Das Experiment war kein großer Erfolg: Um das Jahr 2000 herum waren die Biertrinker eben nur das Märzenbier und allenfalls im Winter einen Bock, im Sommer eine Weisse gewohnt.

Langsamer Aufbau

Macht nichts. Asanger blieb konsequent, weil er erkannte, dass sein Hoffnungsmarkt ohnehin nicht die Biertrinker sind, die mit den Bieren von BrauUnion, Stiegl und Co ohnehin gut bedient sind. Vielmehr ging es – und geht es heute noch – darum, jene Kunden anzusprechen, denen das vorhandene Bierangebot eben nicht vielfältig genug ist. Nur musste diese Craft-Beer-Szene erst langsam aufgebaut, die Geschmackskultur durch neue Angebote verfeinert werden. Rückschläge inbegriffen: Dem steirischen Craft-Beer-Pionier Gerhard Forstner kamen regelmäßig die Tränen, wenn er mitansehen musste, wie seine aufwendig nach belgischem Rezept gebrauten Ales von den Gästen seines Lokals mit Limonade zum Radler gestreckt wurden – er hat das Lokal konsequenterweise zugesperrt und andere Vertriebswege für seine Spezialitäten gefunden.

So viel zum Thema Mut. Die Pioniere der österreichischen Craft-Brauer hatten Mut und Durchhaltevermögen – und sie haben den Markt bereitet, auf dem die Szene aufblühen konnte. Die ein Jahrzehnt später gegründete Brauerei Loncium in Kötschach-Mauthen tat sich mit ihren 2007 eingeführten Spezialitäten schon etwas leichter, die als reine Ale-Brauerei gegründete Bevog-Brewery in Bad Radkersburg hat bewiesen, dass österreichisches Craft-Beer durchaus erfolgreich exportiert werden kann. Und das Brauhaus Gusswerk in Hof bei Salzburg hat sich mit seinen Demeter-zertifizierten Biobieren überhaupt eine neue Nische geschaffen.

Maßstab

Gusswerk-Chef Reini Barta hat sich denn auch von der Craft-Szene abgesetzt – "ich bin nicht Craft", sagt er plakativ unter dem Hinweis, dass er anders als manch selbsternannter Craft-Brewer Brauwesen studiert hat und auch über eine professionelle Anlage verfügt.

Braucht man eine professionelle Brauanlage auf Industriestandard, um gutes Bier zu brauen? Für manche Bierstile – Helles, Pils und Märzen – ganz sicher. Viele Ales gelingen aber auch auf Anlagen, die einfacher konstruiert sind.

Und einige Brauer haben sich gar darauf verlegt, ganz ohne Brauanlage auszukommen. Das hat Jim Koch von Boston Beer mit seiner Marke Samuel Adams in den USA vorgemacht – und in kleinerem Maßstab machen das die jungen Brauer von Brew Age in Wien ähnlich: Sie sind Profis, sowohl was das Bierbrauen als auch was das Marketing betrifft. Aber für mehr als eine kleine Versuchsanlage hat das Investitionskapital nicht gereicht.

Kein Problem: Es gehört zur Kultur der Craft-Brew-Szene, dass ein Brauer dem anderen aushilft, wenn es sein muss mit einer ganzen Brauanlage. Also ziehen die jungen Leute von Brauerei zu Brauerei und brauen Biere wie die Dunkle Materie (ein Cascadian Dark Ale), den Nussknacker (einen Barley Wine) oder den Affenkönig (ein Imperial India Pale Ale). Neuestes Produkt ist das in einem Rotweinfass gereifte Red Out – eine auf 540 Flaschen limitierte Sauerbierspezialität. All das beweist, dass Mut doch wichtiger ist als eine Brauanlage. (Conrad Seidl, RONDO, 30.5.2016)

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Mit vereintem Craft: Geschichte des amerikanischen Brauens