Scrollt man über seine Facebook-Timeline, stehen die Chancen gut, bei einem der unzähligen Kochvideos, die seit einigen Monaten in den sozialen Netzwerken kursieren, hängenzubleiben. Man kann gar nicht anders, als wie paralysiert auf die meist nur ganz kurz andauernden Videoclips zu schauen. Da wird Fisch in Kartoffelchips paniert, Kuchen in Regenbogenfarben hergestellt oder Pizzateig zu Brezeln geformt.

Was verrückt klingt und eigentlich auch verrückt ist, begeistert Millionen von Usern weltweit. Einer der großen Produzenten solcher Videoclips ist das amerikanische Medienunternehmen Buzzfeed mit Sitz in New York. Auf ihrer Plattform Tasty produziert die Agentur Videos am Fließband. Dabei handelt es sich um Clips, die in der Regel nicht länger als eine Minute dauern. Der Kochvorgang wird im Zeitraffer dargestellt, Zutaten, Kochzeit und Temperatur werden kurz eingeblendet.

Auf Köche, die einen mit ihren oft längst bekannten Tipps ("Geben Sie einen Schuss Essig ins Wasser, wenn Sie Eier kochen") oder halblustigen Kochanekdoten ("Damals, als ich für einen prominenten Gast gekocht habe ...") unterhalten, verzichtet man bewusst. Lediglich die Hände der "Köche" sind zu sehen. Mehr braucht es auch nicht, wenn man wissen will, wie man aus Blätterteig und Äpfeln eine Rose formt oder wie man ein Ei in ein ausgehöhltes Weißbrot steckt. Die Videos, die vorwiegend in Los Angeles und London produziert werden, kommen offenbar gut an. Mehr als 55 Millionen User haben die Clips auf Facebook abonniert.

Wie man aus Äpfeln Rosen formt, ist auf Youtube zigfach zu finden.
Manuela M

Aber warum interessieren sich plötzlich so viele Menschen für Kochen? Es gehe nicht darum, die Rezepte nachzukochen, weiß Food-Bloggerin Antonia Kögl. "Kaum jemand wird nach diesen Rezeptvideos zu Hause kochen. Es ist mehr eine Inspiration für neue Ideen. Das erste Tasty-Video, das ich je gesehen habe, war ein Rezept, bei dem einfach eine Tafel Schokolade in Blätterteig gelegt und gebacken wurde. Das ist total simpel, soll aber zeigen, dass man aus einem Blätterteig nicht nur Quiche machen kann", sagt Kögl, die gerade mit ihrem Freund Benedikt Steinle die Agentur Kitchen Konsulting gegründet hat. Die Architektin und der Grafikdesigner, die selbst seit Jahren einen Food-Blog betreiben, beraten Unternehmen und erstellen Gastrokonzepte.

Inspirationsquelle

Die Produktion von Kochvideos werde auch bei ihnen immer mehr zum Thema. Schließlich könne man so ein Produkt vorstellen und gleichzeitig Ideen liefern, wie vielfältig verwendbar es ist. Das ist vor allem für Unternehmen interessant. Produzenten in Österreich als Pendant zu Tasty kenne die Expertin aber noch nicht. Das liegt unter anderem an den hohen Produktionskosten. "Solche Videos sind extrem aufwendig zu produzieren. Für ein Rezeptvideo mit einer Minute Länge braucht man um die drei Stunden", sagt Kögl. In Deutschland gibt es hingegen bereits einige Unternehmen, die versuchen, Tasty Konkurrenz zu machen.

Seit einem halben Jahr produziert das Hamburger Start-up Foodboom ähnliche Videos. Von den Zahlen seines amerikanischen Mitbewerbers ist das Unternehmen aber noch weit entfernt. Gerade einmal 240.000 User haben die Seite auf Facebook abonniert. Trotzdem scheint das Konzept aufzugehen. "Wir beschäftigen mittlerweile zehn Mitarbeiter. Unser Team besteht aus Topleuten, die teilweise von großen Verlagen kommen", sagt Foodboom-Geschäftsführer Hannes Arendholz. In einer eigens angemieteten Halle produziert das Team jede Woche mehrere Clips, die auf Facebook geteilt werden.

Rezepte mit wenigen Komponenten und einfachen Zubereitungsmethoden eignen sich am besten für die Kurzvideos im Internet. Hier mexikanische Kartoffeln mit Putenfleisch.
Tasty

Aber wie lukrativ ist die Produktion von Kochvideos? Bei Tasty-Clips ist die Anzahl der Follower auf Facebook höher als die Einwohnerzahl von Südafrika. Diese Menge an potenziellen Kunden ist eine heiße Währung im Internet. Das Konzept dahinter: Über die Videos sollen User auf die Website der Hauptfirma, Buzzfeed, kommen. Dort können Unternehmen ihre Artikel als eine Art Advertorial veröffentlichen und eine breite Masse erreichen.

Foodboom geht noch einen Schritt weiter. "In Zukunft soll man auf unserer App direkt vom Rezept auf einen Onlineshop kommen und alle nötigen Zutaten bestellen können", erklärt Arendholz. Bis auch bei uns Unternehmen das große Geschäft mit den Kochvideos wittern, wird es wohl noch dauern. Hoffentlich ist der Trend bis dahin nicht schon wieder vorbei. (Alex Stranig, RONDO, 23.5.2016)