Um die schlafenden Birken nicht zu wecken, verwendeten die Forscher für die Vermessung sanftes Infrarotlicht.

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Mit Hilfe der erfassten Punktwolken konnten die Wissenschafter die Schlafhaltung der Birken beobachten.

Grafik: Eetu Puttonen

Wien – Schon Charles Darwin berichtete vom Schlaf der Pflanzenwelt. In seinem 1880 erschienen Werk "The Power of Movement in Plants" beschrieb er die Bewegungen von Blättern im Tag-Nacht-Rhythmus. Ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung hat sich nun speziell dem Schlaf der Bäume gewidmet – und dabei beobachtete, dass manche Arten nachts Blätter und Zweige um bis zu zehn Zentimeter hängen lassen.

Berichte über Bewegungen von Pflanzen gibt es schon lange, bereits ein Feldherr Alexander des Großen schilderte das Auf und Ab von Tamarinden-Blättern im Tagesablauf. Doch die exakte Dokumentation solcher Bewegungen ist schwierig, speziell wenn es sich um große Pflanzen wie einen Baum handelt. Zudem dürfen Messungen keinen Einfluss auf den "Schlaf" der Pflanze haben.

Die Wissenschafter vom Finnish Geospatial Research Institute, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und der Technischen Universität (TU) Wien haben nach eigenen Angaben erstmals das Ruheverhalten ausgewachsener Bäume mit Hilfe von Laserscans gemessen. Sie nahmen dabei Zeitserien von Laser-Scanner-Punktwolken auf, die jeweils aus mehreren Millionen Messpunkten bestehen.

Finnische und niederösterreichische Birke

Vermessen wurden zwei Birken: eine in Finnland, eine in Horn (Niederösterreich). Beide Tests fanden im September nahe der Tag-Nacht-Gleiche zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang statt, unter ruhigen Wetterbedingungen, ohne Wind und Niederschlag. Mit der Laserscan-Technik kann ein ausgewachsener Baum innerhalb von Minuten abgebildet werden, mit einer Auflösung von weniger als einem Zentimeter.

"Unsere Resultate zeigten, dass der ganze Baum in der Nacht zusammensinkt, was man als Positionsänderung der Blätter und Äste messen kann", erklärte Eetu Puttonen vom Finnish Geospatial Research Institute. Die Änderungen seien mit bis zu zehn Zentimeter bei einem Baum mit einer Höhe von fünf Metern nicht groß, "aber sie waren systematisch und eindeutig innerhalb der Genauigkeit unserer Messinstrumente".

Die Scans zeigten, dass die Blätter und Zweige im Laufe der Nachtstunden kontinuierlich nach unten sinken und ihre tiefste Position einige Stunden vor Sonnenaufgang erreichten. Am Morgen kehren sie zu ihrer ursprünglichen Position zurück.

Die Wissenschafter sind davon überzeugt, mit den Laserscans die Pflanzen nur minimal zu stören. Zum Einsatz komme Infrarotlicht, das von den Blättern reflektiert werde. Zudem werden einzelne Punkte auf der Pflanze nur für Sekundenbruchteile angestrahlt.

Wasserhaushalt als entscheidender Faktor

Welche Rolle bei der Bewegung das Sonnenlicht spielt bzw. ob sie endogen gesteuert wird, ist noch nicht geklärt. Wie die Forscher im Fachjournal "Frontiers in Plant Science" schreiben, hängen Pflanzenbewegungen immer eng mit dem Wasserhaushalt einzelner Zellen zusammen. "Der Wasserhaushalt wiederum hängt unter anderem auch davon ab, ob Licht für die Photosynthese zur Verfügung steht", erklärte Andras Zlinszky von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.

"Wir glauben, dass die Punktwolken aus den Laserscans uns ein tieferes Verständnis vom Schlafmuster der Pflanzen ermöglichen", erklärte Norbert Pfeifer vom Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien. In einem nächsten Schritt wollen die Forscher wiederholt Punktwolken von Bäumen sammeln und die Ergebnisse mit Messungen über den Wasserhaushalt der Bäume in Verbindung setzen. Das soll u.a. auch ermöglichen, den täglichen Wasserverbrauch der Bäume und ihren Einfluss auf das lokale oder regionale Klima besser zu verstehen. (APA, red, 22.5.2016)