Entlang der Wiener U-Bahn-Linie U6, auch dort, wo die Wiener Linien derzeit die historischen Otto-Wagner-Stationen herausputzen, hat sich eine Suchtszene entwickelt, die es zuvor in Wien so nicht gegeben hat. In schlecht beleuchteten Abschnitten neben und unter der früheren Stadtbahn kommt es täglich zu Auseinandersetzungen zwischen Straßendealern, Kundschaft, Alkoholikern und Passanten. Am Pfingstsonntag kam es bei der Station Josefstädter Straße zu einer Massenschlägerei. Die Gegend ist eine der ungutesten in Wien; das merken auch am Gürtel etablierte Lokale an Umsatzeinbußen.

Abgesehen davon, dass die Polizei hofft, ab Sommer mit einem neuen Gesetz sogenannte Streetrunner, also Straßendealer, die immer nur wenig Stoff bei sich haben, verstärkt in U-Haft bringen zu können, hat man bisher recht wenig über mögliche Problemlösungen gehört.

Journalisten sind anscheinend die Einzigen, die wissen wollen, wer da selbst am helllichten Tag Haschisch, Kokain und andere illegale Rauschmittel vertickt – und warum sich die größtenteils aus Afrika stammenden Dealer faktisch mit beiden Füßen ins Kriminal stellen. Weil sie keine Perspektive haben, weil der Asylantrag der letzte Kontakt zum offiziellen Österreich war, weil ihnen jemand das große Geld versprochen hat und sie dennoch die Verlierer der Einkommensschere bleiben. Wo bleibt die Sozialarbeit? Haben auch die Streetworker schon aufgegeben? (Michael Simoner, 16.5.2016)