In Anlehnung an den Protest französischer Filmemacherinnen in Cannes 2012 trägt eine neue Studie zur Repräsentanz von Regisseurinnen im Programm deutscher Filmfestivals den Titel "Frauen zeigen ihr Gesicht, Männer ihre Filme".

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Als vor vier Jahren kein einziger Film einer Regisseurin in Cannes programmiert war, regte sich Widerstand unter den französischen Filmemacherinnen und Schauspielerinnen. "Frauen zeigen in Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme", lautete der Titel des Debattenbeitrags, den Coline Serreau, Virginie Despentes und Fanny Cottencon in der Tageszeitung "Le Monde" veröffentlichten. In Anlehnung an diesen Protest heißt nun auch die neue Gender-Studie der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München "Frauen zeigen ihr Gesicht, Männer ihre Filme". Darin wurde die Repräsentanz von Filmen von Regisseurinnen im Programm deutscher Filmfestivals untersucht.

Zahlen zur Geschlechterverteilung

Die AutorInnen Tanja C. Krainhöfer und Konrad Schreiber durchleuchteten dafür die Programme von 19 bayerischen Filmfestivals im Jahr 2015 und davon 1.830 Festivalbeiträge. Betrachtet man die Programme in ihrer Gesamtheit, so zeigt die Analyse, dass auf dem deutschen Filmfestivalmarkt nur ein Festival, die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, über ein genderausgeglichenes Programm verfügt. Filme von Frauen sind im Programm deutscher Filmfestivals demnach nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Und das, obwohl viele Festivals mit der Forderung nach einer Frauenquote von Pro Quote Regie, dem Zusammenschluss von Regisseurinnen in Deutschland, sympathisieren.

Die auf Initiative der HFF-Frauenbeauftragten Maya Reichert vorgelegte Pilotstudie kommt zu dem Ergebnis, dass in nur 27 Prozent der Filmbeiträge Frauen Regie führten. Dem gegenüber stehen 73 Prozent von Männern inszenierte Filme. Damit beträgt das Geschlechterverhältnis im Programm 1:3. Grenzt man die Analyse auf deutsche Produktionen ein, steigt der Anteil an Regisseurinnen auf 32 Prozent. Das Verhältnis im deutschen Programmteil beträgt ungefähr 1:2.

Geschlechterverhältnis von 1:9 bei Langspielfilmen

Die Studie zeigt auch, dass mehr Filmemacherinnen im Kurzfilmformat (32 Prozent) und bei mittellangen Filmen (36 Prozent) vertreten sind. Langfilme von Frauen hingegen bilden nur zu 24 Prozent das Langfilmprogramm der Festivals ab. Filmbeiträge von Frauen finden sich vorwiegend im Animationsfilm (mit 41 Prozent). Während im Dokumentarfilmbereich noch 31 Prozent Regisseurinnen zu finden sind, wird das fiktionale Programm zu 77 Prozent von Männern dominiert.

Bei nur zwölf Prozent der abendfüllenden Spielfilme im Festivalprogramm führten Frauen Regie, das Geschlechterverhältnis beträgt hier nahezu 1:9. Im Vergleich dazu liegt der Anteil von Frauen am jährlichen deutschen Produktionsvolumen im Bereich fiktionaler Langfilme bei 22 Prozent. So schlägt sich der geringere Produktionsoutput von Regisseurinnen konsequenterweise auch im Programm der Filmfestivals nieder, die niedrige Repräsentanz von Filmemacherinnen geht aber weit über diese Korrelation hinaus.

Schlechtere Chancen für Frauen

"Mit Blick auf unsere aktuellen Studierenden- und Absolventenjahrgänge sehe ich: Wir bilden ebenso viele Studentinnen wie Studenten für das Filmemachen aus. Umso alarmierender ist es, dass sich die schlechteren Chancen für Filmemacherinnen im Kino und Fernsehen in der Filmfestivallandschaft fortsetzen", sagt HFF-Präsidentin Reitz.

Krainhöfer und Schreiber weisen aber darauf hin, dass relativ betrachtet Festivalbeiträge von Frauen mehr Festival-Hits, also Mehrfachprogrammierungen auf unterschiedlichen Filmfestivals, und mehr Wettbewerbsgewinner bringen. Doch bei der Dotierung fallen die Auszeichnungen, die Frauen erhalten, mit durchschnittlich knapp 2.000 Euro wesentlich geringer aus als die Preise für Männer, die durchschnittlich rund 5.000 Euro betragen.

Männliche Perspektive bestimmt Filmerbe

Besonders eklatant ist das das Verhältnis von 1:9 im Bereich filmhistorischer Werke. "Vergegenwärtigt man sich, dass nur die bedeutendsten Filmemacher in das deutsche Filmerbe aufgenommen und für die Nachwelt in digitaler Form erhalten werden, ist damit zu rechnen, dass Geschichte in audiovisueller Form ausschließlich aus männlicher Perspektive erzählt werden wird und damit auch unser kollektives Gedächtnis bestimmt", schreiben die StudienautorInnen.

Die ForscherInnen nehmen auch Bezug auf die Forderung von Pro Quote Regie, Gremien und andere EntscheidungsträgerInnen in Filmförderungen, Fernsehsendern, Verleih- und Vertriebsstrukturen genderausgeglichen zu besetzen. So haben sie auch die Korrelation des Genderverhältnisses der KuratorInnen zum Genderverhältnis der Programmbeiträge ausgewertet. In den Ergebnissen sehen sie einen deutlichen Trend: Je mehr Festivalkuratorinnen über das Programm entscheiden, desto höher ist der Anteil an Filmen von Frauen. (chrit, 12.5.2016)