Italiens Premier feierte den Sieg, bevor dieser feststand: "Heute ist ein Festtag für viele – für alle, die sich endlich anerkannt fühlen", schrieb Matteo Renzi schon am Mittwochvormittag auf seiner Facebook-Seite. Und: Gesetze würden "für Personen gemacht, nicht für Ideologien". Der Regierungschef konnte sich den vorzeitigen Jubel leisten. In der Abgeordnetenkammer, in der das Gesetz über die "unioni civili" (zivilen Partnerschaften) am Mittwoch endgültig verabschiedet werden sollte, verfügt seine Regierung über eine solide Mehrheit. Das bestätigte sich in der Vertrauensabstimmung, die die Regierung mit 369 zu 193 Stimmen überstand. Das Gesetz selbst wurde schließlich, noch deutlicher, mit 372 zu 51 Stimmen angenommen.

Renzis Prestigeangelegenheit

Die Vertrauensfrage ist ein brachiales Instrument – es bedeutete, dass die Abgeordneten zum Gesetz keine Abänderungsanträge mehr stellen konnten und die Vorlage in der vom Senat bereits im Februar verabschiedeten Form zur Abstimmung gelangte. Die Opposition bezeichnete dieses Vorgehen als undemokratisch und als "Missachtung des Parlaments".

Reformenministerin Maria Elena Boschi konterte, das es sich bei den zivilen Partnerschaften um ein "zentrales Projekt im Regierungsprogramm" handle, was das Stellen der Vertrauensfrage rechtfertige. Tatsächlich hatte Renzi das Gesetz zur persönlichen Prestigeangelegenheit erhoben: "Wir schreiben heute ein weiteres wichtiges Kapitel für das Italien, das wir wollen", erklärte der Premier.

Rechtliche Lücke geschlossen

Italien war bis Mittwoch das einzige westeuropäische Land, in dem weder ein Rechtsrahmen für homosexuelle Partnerschaften noch Regelungen für die hunderttausenden Ehen ohne Trauschein existierten. Diese Lücke ist nun geschlossen.

Das italienische Gesetz orientiert sich am deutschen Modell der eingetragenen Partnerschaften. Homosexuelle und unverheiratete heterosexuelle Paare werden, nachdem sie sich amtlich haben registrieren lassen, künftig in Steuer- und Erbschaftsfragen, bei Pensionen und in diversen anderen Bereichen den traditionellen Ehepaaren weitgehend oder vollständig gleichgestellt. Sie können künftig den Nachnamen ihres Partners oder Doppelnamen annehmen; sie übernehmen aber auch die gegenseitigen Fürsorgepflichten.

Kritik von Kirche und Konservativen

Gegen das Gesetz waren katholische und konservative Kreise innerhalb und außerhalb des Parlaments während Monaten Sturm gelaufen. Auch die Kirche mischte sich kräftig in die Diskussion ein. Als "Niederlage für alle" bezeichnete der Präsident der Bischofskonferenz, Nunzio Galatino, die Vertrauensabstimmung. Gemeint war in erster Linie der Gegenstand der Abstimmung, also das Gesetz selber. Der enge Papst-Vertraute forderte die katholischen Abgeordneten auf, trotz des neuen Gesetzes weiterhin eine Politik zu verfolgen, die die Wichtigkeit der traditionellen Familie – "bestehend aus Mann, Frau und Kindern" – ins Zentrum rücke.

Kein Wort von "Ehe"

Die Kritik wirkt etwas überzogen: Im Einklang mit den Bischöfen und dem Papst hatten die katholischen Parlamentarier sorgsam darauf geachtet, dass im neuen Gesetz die Wörter "Ehe" und "Trauung" fehlen und jeder Anschein einer Gleichsetzung der "unioni civili" mit der Ehe zwischen Mann und Frau vermieden wird. Dabei schreckten die Traditionalisten im Parlament auch vor abstrusen Maßnahmen nicht zurück: Aus dem Gesetz gekippt wurde unter anderem die Erwähnung der Treuepflicht für homosexuelle Paare – weil diese dazu ohnehin nicht in der Lage seien. Auch auf die "Stiefkind-Adoption", also die Möglichkeit, dass homosexuelle Partner die leiblichen Kinder ihrer Lebensgefährten adoptieren, musste Renzi verzichten. Der Widerstand war auch in der eigenen Partei, dem sozialdemokratischen PD, zu groß gewesen. (Dominik Straub aus Rom, 11.5.2016)