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Demonstration mazedonischer Albaner Mitte Mai in Skopje – mit den Flaggen der USA, der EU und Albaniens. Von jenen Parteien, die sie in Mazedonien vertreten, sind viele Albaner enttäuscht. Nun gibt es eine neue Alternative.

Foto: AP / Boris Grdanoski

Vor einem Jahr fanden in der mazedonischen Stadt Kumanovo bisher ungeklärte Schießereien zwischen albanischen Kriminellen (teils aus dem Kosovo) und Sicherheitskräften statt. Zehn Kriminelle und acht Polizisten wurden bei den Feuergefechten, die zwei Tage dauerten, getötet. Ein ganzes Stadtviertel wurde zerstört, die Menschen blieben schwer traumatisiert zurück.

Der alten albanischen Partei DUI von Ali Ahmeti wird seither von vielen Albanern in Mazedonien vorgeworfen, dass sie die Zivilisten in Kumanovo nicht geschützt habe. Unter den mazedonischen Albanern – etwa ein Viertel der Bevölkerung – macht nun Besa von sich Reden. Besa heißt so viel wie Ehrenwort und geht auf das albanische Gewohnheitsrecht zurück, den Kanun. Die Partei wurde 2014 gegründet.

Parteichef Bilal Kasami, der in der Hauptstadt Skopje in einem neuen Büro in der Nähe der Burgfestung residiert, definiert seine Partei als konservativ und wirtschaftsorientiert. Wer ihn unterstützt, kann er nicht sagen, weil die Geschäftsleute fürchten müssten, dass sie dadurch Schaden erlitten. Kasami ist überzeugt, dass er mit Steuerzahlungen "bestraft" wurde und sein Geschäft in Tetovo deshalb geschlossen wurde, weil er sich von der stärksten albanischen Partei DUI abgewandt hat. In ganz Südosteuropa fungieren Parteien hauptsächlich als Jobbeschaffer und Schutzherren für Geschäftsleute, verlangen aber Loyalität. Und oft missbrauchen sie staatliche Strukturen.

Entweder in die Regierung, oder ins Gefängnis

"Es gibt zu viel gegenseitige Beeinflussung von Parteien, Institutionen und dem Staat", meint Kasami zum STANDARD. "Und vor allem haben wir keinen Rechtsstaat." Kasami hofft, dass seine Partei bei den Wahlen sogar die DUI überflügeln kann. "Es muss aufhören, dass man für 1.000 Denar (etwa 16 Euro, Anm.) in Mazedonien irgendeine Partei wählt. Für die regierenden Parteien gibt es nur zwei Optionen: Entweder sie kommen wieder in die Regierung, oder sie kommen ins Gefängnis. Und wenn es einen Rechtsstaat gibt, dann kommen sie ins Gefängnis." Kasami fordert deshalb noch mehr Unterstützung der EU und der USA, damit der Demokratisierungsprozess vorangeht und tatsächlich freie Wahlen stattfinden können.

Er überlegt, dass Besa mit anderen kleinen albanischen Parteien in einem Wahlbündnis antreten soll. Jedenfalls will er die oppositionellen Sozialdemokraten (SDSM) unterstützen und den Wählern damit im Vorfeld signalisieren, das man einen Machtwechsel anstrebt. Die bisherige Regierung bestand aus einer Koalition zwischen der nationalkonservativen mazedonischen VMRO-DPMNE und der albanischen Partei DUI.

Ein neu definierter Staat

Besa setzt aber auch durchaus auf die nationale Karte. Wenn es um den Namensstreit geht – Griechenland blockiert deswegen Mazedoniens Aufnahme in die Nato und die EU –, will man dieses Thema nützen, um gleich die Verfassung zu ändern. Kasami: "Der Staat muss neu definiert werden. Zurzeit ist Mazedonien ein Staat für die Mazedonier und die anderen, die hier leben. Aber ich will, dass die Albaner als konstituierendes Volk in der Verfassung genannt werden."

Es gebe viele Albaner in Mazedonien, die nicht einmal die mazedonische Staatsbürgerschaft hätten, weil sie nicht Mazedonisch sprechen würden, meint der Politiker. Prinzipiell will Kasami aber weg vom Konzept der Ethno-Nationalität, die in Südosteuropa (mit Ausnahme Albaniens) das wichtigste Merkmal von Identität ist und damit in der täglichen Politik eine Rolle spielt wie sonst vielleicht nur noch bei den Basken in Spanien.

Gerüchte über Hilfe von der AKP

"Wir brauchen nicht nur, was die Religion betritt, Säkularismus, sondern auch 'ethnischen Säkularismus'", so Kasami. Bisher seien die Verbindungen der Albaner zum Staat noch zu schwach. "Doch wir haben ja keinen anderen Staat, Mazedonien ist unser Mutterland, und wir wollen hier integriert werden." Kasami sieht die Albaner in Mazedonien – trotz des Ohrid-Abkommens aus dem Jahr 2001, das den blutigen Konflikt beendete – als diskriminiert an.

Er garantiert, dass in keinem Fall die Religion für politische Ziele "missbraucht wird". Und er fordert auch gleiche Rechte für alle, die sich zu keiner Religion bekennen. In diversen Medien in Mazedonien wird seit Monaten gemunkelt, Besa werde von der türkischen Partei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützt. Kasami weist das strikt zurück. "Wir haben nur Unterstützung von den albanischen Migranten aus Deutschland, aus Österreich und der Schweiz. Die Diaspora ist nicht so unter Druck wie die Geschäftsleute hier", sagt er zum STANDARD. (Adelheid Wölfl aus Skopje, 11.5.2016)