Ein Megafrachter der weltweit größten Containerschiffreederei Maersk Line wird im südspanischen Hafen Algeciras entladen. Der halbautomatisierte Frachtterminal verfügt über acht Teleskopkräne, die je 32 Container zu 40 Fuß in einer Stunde anlanden können.

Foto: Jan Marot

Algeciras gehört zu den Top 30 Welthäfen.

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Es herrscht Hochbetrieb. Ein Gewimmel wie in einem Ameisenbau, aber organisiert, einer Ballettchoreografie gleich. Der Megafrachter MSC Oliver der schweizerischen Mediterranean Shipping Company hat am Containerterminal von TTI (Total Terminal International) im südspanischen Algeciras am frühen Morgen angelegt.

Mit seinen Schwesterschiffen ist er aktuell der größte Frachter der Welt mit einer Kapazität von 19.224 TEU (twenty-foot equivalent unit) – ein TEU entspricht einem 20-Fuß-(6,1-Meter-)Standardcontainer –, wenngleich hier 18.000 TEU das Limit für den Hafen der 120.000-Einwohner-Stadt darstellen.

Fünfzigmal abfotografiert

Die Zeit drängt. Um zwei Uhr morgens sticht der aus Ostasien kommende Frachter Richtung Nordsee wieder in See. Kein Einzelereignis, denn 99-mal legte ein Megaschiff dieser beziehungsweise der Maersk-Triple-E-Klasse, im Jahr 2015 an, bevor es Richtung Suezkanal retour nach Ostasien oder mit Kurs auf die großen Nordseehäfen Hamburg, Antwerpen, Bremerhaven, Rotterdam in die USA weiterging.

Der halbautomatisierte TTI-Frachtterminal verfügt über acht Teleskopkräne, die je 32 Container zu 40 Fuß binnen einer Stunde anlanden können. Ein jeder wird knapp fünfzigmal abfotografiert – zur Identifizierung und wegen eventueller Reklamationen aufgrund von Beschädigungen, ehe Transtainerkräne sie auf den Lagerplatz bewegen oder zu wartenden Lkws.

Im Kontrollzentrum überblickt man das gesamte Areal. Hier füttert man das System mit Daten. Den Rest übernimmt das Computerprogramm. In Algeciras, gegenüber Gibraltar gelegen, verdeckt trübes Wetter den Blick auf Afrika, das, keine 30 Kilometer entfernt, sonst zum Greifen nah erscheint.

Es ist mit mehr als 100 Millionen Tonnen und 4,5 Millionen Containern Volumen jährlich der wichtigste Warenumschlagplatz des Mittelmeerraums und zugleich Europas Tor ins nahe Afrika. Auf Fährschiffen kreuzen alljährlich 290.000 Lkws die strategisch wichtige Meerenge. So ist Algeciras auch auf der Lloyds-Liste, global gesehen, auf Rang 30 der Welthäfen.

Am Kapazitätslimit

Mit der Freihandelszone beim nordmarokkanischen Tanger um den neuen MED-Hafen und der Präsenz zahlreicher europäischer Konzerne stieg auch das Volumen der Lkws, die auf Fähren, die im Stundentakt auch in die spanische Exklave Ceuta übersetzen, deutlich. Neben Textilprodukten, die etwa der Modekonzern Zara-Inditex dort fertigen lässt, sind auch Autobauer wie Peugeot in Marokko aktiv.

"Hakt es hier in Algeciras, stockt der gesamte Welthandel zu Schiff", sagt Rocío García Gómez, Sprecherin der Hafenbehörde Autoridad Portuaria de la Bahía de Algeciras, kurz APBA. Der überwiegende Teil der Fracht wird hier auf kleinere Frachter umgeladen und nur kurze Zeit, knapp sechs Tage im Schnitt, zwischengelagert. Knapp die Hälfte des jährlichen Containervolumens, 2,3 Millionen Stück, wird hier umgeschlagen.

Bei APM Terminals, einer Maersk-Tochter, die beiderseits der Straße von Gibraltar, bei Tanger MED und in Algeciras, Containerterminals betreibt, spricht man ohnehin nur noch von "West MED", "South" für Marokkos Hafenstadt, "North" für die spanische.

"Wir sind nahe unserem Kapazitätslimit", sagt Carlos García, Projektleiter bei APM, "und das in Algeciras sowie in Tanger." Ein bisschen mehr Schiffslänge sei noch möglich. In puncto Breite jedoch, sei man dem Belastungslimit der Teleskopkranarme, und mehr noch der Hafenmolenstatik äußerst nahe, unterstreicht García.

Mit stattlichen 59 Metern Höhe hält man hier aber gar den aktuellen Weltrekord, sagt der ehemalige Schiffskapitän, der seit mittlerweile 27 Jahren bei APM tätig ist, nicht ohne Stolz. Am zweiten Standort will man nun mit einer Großinvestition die Automatisierung vorantreiben. "Die wahre Revolution im Terminalmanagement hat noch nicht eingesetzt", weiß García: "Noch brauchen wir Menschen, die wesentliche Tätigkeiten beim Be- und Entladen übernehmen."

Größtes Wachstum

Dabei ist Algeciras ein relativ junger Hafen, dessen Aufstieg in der Blockade des englischen Gibraltar zur Zeit der Franco-Diktatur ab 1969 begann sowie mit dem damaligen Bau der Raffinerie des Petrochemiekonzerns Cepsa.

So wird neben Rohölimport und Benzinexport, der sich auf 27 Millionen Tonnen pro Jahr beläuft, Stückgut – beispielsweise Kohle – für das lokale Kraftwerk des Stromkonzerns Endesa, aber auch Altmetall für den Edelstahlerzeuger Acerinox angelandet. Algeciras ist damit aktuell auch der europäische Hafen, der in den vergangenen fünf Jahren das größte Wachstum aufwies.

"In Sachen Umweltschutz sind die baulichen Maßnahmen der größte Einschnitt", betont APBA-Sprecherin García Gómez: Verschmutzung durch Ölaustritte oder Chemikalien habe es schon lange nicht mehr gegeben. Mit ein Grund dafür ist, dass das Nachtanken der Schiffe auf See, "bunkering" genannt, nicht mehr von Tankern, die Monate in der Bucht ankern, vorgenommen wird, sondern mit kleineren Tankschiffen, die von den Firmen Vopak sowie CLH den benötigten Treibstoff zum Kunden bringen. Mangels Kläranlagen wäre "die Stadt ohnehin der größere Verschmutzer der Bucht".

Mit 2016 wird der Ausbau "Phase 2" – just neben dem TTI-Terminal mit einem Eisenbahnanschluss – auf dem Areal der Isla Verde Exterior, wo man dem Meer enorme Flächen um das einstige Fort auf einer vorgelagerten Insel abgewonnen hat, vergeben.

Das soll die Position des Hafens als fixen Ankerplatz des globalen Welthandels weiter festigen, ist er doch der Wirtschaftsmotor im Campo de Gibraltar und soll einer Studie der Universität Sevilla zufolge für mehr als 25.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze, unter anderem auch in Werften, wo ein Trockendock für Triple-E-Frachter geplant ist, sorgen.

Knackpunkt Schiene

Aber nicht alles ist eitel Wonne: "Hauptproblem ist der suboptimale Anschluss an das Eisenbahnnetz", lamentiert García Gómez. Eine einspurige Trasse verbindet die Hafenstadt mit dem Knotenpunkt Bobadilla bei Antequera.

Frachtzüge fahren meist nur nachts, langsam, und sie dürfen eine Maximallänge von 250 Metern nicht überschreiten, "was die Wettbewerbsfähigkeit mindert", und mit ein Grund dafür sei, wie die APBA-Sprecherin betont, "dass das Import-Export-Geschäft mit knapp drei bis fünf Prozent des Gesamtvolumens gering ist".

Und da die Route Naturschutzgebiete quert, ist an einen zweigleisigen Ausbau vorerst nicht zu denken, selbst wenn dieser im EU-Infrastruktur-Plan ein Fixpunkt ist. (Jan Marot, 16.5.2016)