Rousseff jedenfalls wertet die Aussetzung des Verfahrens als Etappensieg in ihrem Kampf um die Präsidentschaft und gab sich sichtlich erfreut: "Es ist noch nicht offiziell, ich kenne die Konsequenzen noch nicht."

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"Bitte seid vorsichtig, es kann jede Menge Tricks und Finessen geben" – Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wurde am Montag bei einer Veranstaltung im Regierungspalast Planalto von ihren Anhängern umdrängt. Gerade hatte Parlamentspräsident Waldir Maranhão überraschend das Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin wegen Formfehlern außer Kraft gesetzt. Eigentlich hatte es als sicher gegolten, dass Rousseff am Mittwoch mit einer Abstimmung im Senat ihres Amts enthoben wird.

Diese Abstimmung hatte der Parlamentspräsident am Montag zu verhindern versucht, indem er die vorangegangene Abstimmung im Abgeordnetenhaus für ungültig erklärte. Ob diese Entscheidung aber juristisch Bestand haben würde, wurde da bereits angezweifelt. Am Dienstag folgte dann die nächste Wende: Der Parlamentspräsident lässt das Amtsenthebungsverfahren laut Agenturberichten doch wieder zu.

Maranhão hat seinen Widerstand gegen das Verfahren zur Entmachtung der Staatschefin aufgegeben. Er habe seine "Entscheidung zurückgenommen", teilte er am Dienstag mit.

Brasiliens Politikbetrieb versinkt damit immer mehr im Chaos. Die Politik halte derzeit mehr Intrigen bereit als jede Folge von "House of Cards", titeln die Zeitungen des Landes.

Rousseff sieht Etappensieg

Rousseff hatte die Aussetzung des Verfahrens am Montag als Etappensieg in ihrem Kampf um die Präsidentschaft gewertet. "Es ist noch nicht offiziell, ich kenne die Konsequenzen noch nicht", rief sie da noch strahlend, ehe sie mit ihren Vertrauten zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkam.

Erst in der vergangenen Woche wurde der mächtige Parlamentspräsident Eduardo Cunha von der oppositionellen PMDB nach Korruptionsvorwürfen seines Amts enthoben. Er gilt als ärgster Widersacher Rousseffs und hatte ihren Sturz betrieben. Ihm folgte Maranhão nach, der ebenfalls Mitglied der rechtsliberalen PMDB ist, aber als Hinterbänkler gilt. Die PMDB hatte erst vor wenigen Wochen die Regierungskoalition verlassen.

Unregelmäßigkeiten bei Abstimmung

Maranhão hatte seinen Vorstoß mit Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung begründet. Die Beratungen seien von einer "Vorverurteilung" Rousseffs gekennzeichnet gewesen, zudem sei auf die Parlamentarier Druck ausgeübt worden. Deshalb müsse die Abstimmung wiederholt werden. Maranhão hatte sich zuvor mit Generalstaatsanwalt José Eduardo Cardozo getroffen und folgte anschließend seinem Antrag.

Die Verteidigung der Präsidentin versucht schon seit langem mit Verfahrensfehlern das Amtsenthebungsverfahren für nichtig zu erklären. Rousseff wird nicht Korruption, sondern Trickserei beim Budget vorgeworfen, was nach Ansicht unabhängiger Juristen kein ausreichender Grund für eine Amtsenthebung ist.

Opposition bläst zum Gegenangriff

Unklar bleiben die Konsequenzen eines eventuellen Stopps des Verfahrens. Die Opposition hat sich bereits juristisch zum Gegenschlag gerüstet. Als wahrscheinlich gilt, dass wieder einmal der Oberste Gerichtshof angerufen wird. Womöglich muss nun die Entscheidung im Abgeordnetenhaus wiederholt werden. Die Abgeordneten hatten am 17. April mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit für eine Amtsenthebung Rousseffs gestimmt.

Senatspräsident Renan Calheiros hatte am Montag angekündigt, er werde die Entscheidung Maranhãos ignorieren und das Amtsenthebungsverfahren wie geplant fortführen – es gebe keinen juristischen Grund, das nicht zu tun. Sollte Rousseff die Abstimmung im Senat verlieren, wird sie für höchstens 180 Tagen suspendiert, Vizepräsident Michel Temer würde die Präsidentschaft übernehmen. Der Rousseff-Gegner bekräftigte, er stelle weiterhin wie geplant seine Regierungsmannschaft zusammen. Doch vielleicht muss er sich noch gedulden, ehe er die Präsidentenschärpe umlegen darf. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, red, 10.5.2016)