ÖBB-Chef Christian Kern hat beste Chancen.

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Medienmann Gerhard Zeiler hat einen guten Draht zu Häupl.

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SPÖ-Klubchef Andreas Schieder wäre ein Kompromiss.

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Jetzt muss er doch noch in die erste Reihe: Über zwei Jahrzehnte lang hat Bürgermeister Michael Häupl vom politisch relativ bequemen Wiener Rathaus aus die Geschicke der SPÖ maßgeblich bestimmt, Wechsel an der Parteispitze mitorganisiert – auch bei der aktuellen Krise mischte er mit. Doch diesmal kann sich der beschränkt konfliktfreudige Ottakringer nicht im Hintergrund halten. Mit 66 Jahren übernimmt Häupl die Führung der Sozialdemokratie.

Es wird allerdings, so lautet zumindest der Plan, nur bei einem Intermezzo bleiben. Häupl wird das Amt des SPÖ-Vorsitzenden interimistisch bekleiden, ehe ein neuer Chef auf Dauer gefunden ist. Die Öffentlichkeit werde sich noch eine Woche lang "gedulden" müssen, sagt der Kurzzeitchef. Direkt nach Pfingsten, am Dienstag in einer Woche, soll der Parteivorstand den neuen Frontmann nominieren, damit dieser am 25. Juni auf einem Parteitag offiziell gewählt werden kann.

Noch ein zweiter Parteitag steht an: Im November widmet sich die SPÖ einem neuen Parteiprogramm, über das auch eine Mitgliederbefragung geplant ist. Dringlicher ist aber die Chefsache, eine Vorentscheidung dürfte noch nicht gefallen sein. Zur Stunde seien nur Männer in engerer Auswahl, verrät Häupl, "aber das könnte morgen schon anders sein".

Mehrere Länder für Kern, Häupl eher für Zeiler

Favoriten gibt es zwei, und einer davon wird sogar öffentlich zu einem solchen geadelt. Mehrere rote Landeschefs loben Christian Kern, den derzeitigen Chef der Bundesbahn. Der Kärntner Peter Kaiser hat das schon vor Faymanns Abgang getan, der Vorarlberger Michael Ritsch, der Salzburger Walter Steidl und der Steirer Michael Schickhofer pflichten nun bei. Kern habe die ÖBB gut aufgestellt und für die Zufriedenheit der Mitarbeiter gesorgt, sagt etwa Letzterer: "Das würde der SPÖ auch guttun."

Allerdings hat sich in der Debatte um die Faymann-Ablöse gezeigt, dass öffentliche Wortmeldungen mitunter auf die falsche Fährte führen, und auch in der Nachfolgefrage gibt es in der Partei unterschiedliche Meinungen. So mancher Genosse nennt den Fernsehmacher Gerhard Zeiler als chancenreichsten Anwärter – schon deshalb, weil diesem der beste Draht zu Königsmacher Häupl nachgesagt wird.

Für Zeiler könnte ein vermeintlicher Nachteil, das höhere Alter, sprechen. Der 60-jährige Wiener war bereits ORF-Generaldirektor und Chef des Privatsenders RTL, ist heute als Präsident von Turner Broadcasting System in London unter anderem für CNN International zuständig. Er kann auf eine lange Karriere zurückblicken, könnte sich also relativ entspannt auf ein Himmelfahrtskommando, wie es die SPÖ im aktuellen Zustand darstellt, begeben – auch wenn dieses nach der nächsten Wahl in die Opposition führt.

Noch zu früh für Kern?

Der um zehn Jahre jüngere Kern hingegen, so eine Leseart in der SPÖ, wirke zwar moderner, habe in Sachen Karriere aber mehr zu verlieren. Für ihn sei es auch in fünf Jahren noch früh genug, eine dann vielleicht runderneuerte Partei zu übernehmen.

Allerdings wird gerade Kern nachgesagt, den in der Sozialdemokratie gefragten Spagat idealtypisch zu verkörpern: Der dandyhaft gestylte Manager mit den eng geschnittenen Anzügen strahle Wirtschaftskompetenz aus, habe in der ÖBB aber auch bewiesen, dass er mit gestandenen Eisenbahnern gut könne. Die obligaten Lehrjahre in der Politik hat der Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs aus dem Wiener Arbeiterbezirk Simmering in den Neunzigern im Parlamentsklub der SPÖ absolviert.

Was jedoch sowohl Kern als auch Zeiler an der Spitze der SPÖ einiges abverlangen könnte: Beide stehen innerhalb der sozialdemokratischen Koordinaten wohl eher für einen pragmatischen, wirtschaftsfreundlichen Kurs. Das könnte Applaus von Unternehmensvertretern bringen, aber Brösel mit dem linken Flügel. Denn bevor die Flüchtlingsfrage alles andere zugedeckt hat, entzündete sich der Ärger vieler Genossen vor allem an der vermeintlich fehlenden roten Handschrift in der Regierung – Stichwort Vermögenssteuern, die nur in der Rhetorik, aber nicht in der Realität umgesetzt wurden.

Apparat als Makel

Linke Herzen könnte wohl eher Andreas Schieder, Klubchef im Parlament, gewinnen. Ihm ist es bisher gut gelungen, bei keinem Parteiflügel anzuecken. Allerdings fehlt dem 47-Jährigen, der seine früher etwas verschachtelte Rhetorik erst in jüngerer Vergangenheit geschärft hat, wohl noch Profil für die Spitzenposition, und Torschlusspanik muss er karrieretechnisch nicht haben: Schieder gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Bürgermeister Häupl.

Was nach dem Absturz des gestandenen Gewerkschafters Rudolf Hundstorfer bei der Präsidentenwahl aber vor allem gegen Schieder spricht: der ausgeprägte Stallgeruch. Die SPÖ – so eine verbreitete Meinung in der Partei – brauche in Zeiten wie diesen, da der Ruf des politischen Establishments ruiniert ist, einen Kandidaten, der nicht aus der Mitte des Apparats kommt. Alles spricht für "Quereinsteiger" wie Christian Kern und Gerhard Zeiler. (Gerald John, 9.5.2016)