Von Gusenbauer übernahm Faymann 2008 das Bundeskanzleramt, ...

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... als Vizekanzler war zuerst Josef Pröll an seiner Seite.

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Den Adler ließ Faymann später doch entfernen.

Foto: Cremer

Die Rücktrittserklärung von Werner Faymann im Video.

Bundeskanzler Faymann

Die Bundeskanzler der Zweiten Republik.

"Ich zähle mich zu den zufriedenen Politikern." Dieses Zitat von Werner Faymann aus seinen Anfangstagen als Bundeskanzler – er war es seit 2. Dezember 2008 – steht symptomatisch dafür, wie er sich letztlich in allen seinen politischen Ämtern eingerichtet hat. Nämlich so, dass er damit und vor allem mit sich selbst zufrieden war. Der nun demissionierte Kanzler und SPÖ-Vorsitzende agierte aus einer selbstgeschaffenen Wohlfühlzone heraus, die ihm nach innen zwar allen Grund zur Zufriedenheit suggerierte, die von außen aber immer mehr als realitätsblinde, abgehobene Selbstzufriedenheit daherkam und ihm in letzter Konsequenz weite Teile der SPÖ derart entfremdet hat, dass er nun beide Ämter hinschmiss. Als Grund nannte er "zu geringen Rückhalt".

Dabei hatte der die Faymann'sche "Green Zone" umzäunende Sicherheitskordon aus engsten Vertrauten und langjährigen, loyalen Wegbegleitern wie Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Nationalratspräsidentin Doris Bures bis zuletzt alles getan, um Faymanns Jobs zu retten.

Dieses Knüpfen von tragfähigen Netzwerken und vertrauensvollen Beziehungen zu einigen handverlesenen Vertrauten und Mächtigen war eine der Stärken des 56-Jährigen. Es sind Freundschaften, die er aus seinen politischen Anfängen Stufe für Stufe auf der Karriereleiter mit nach oben nahm.

Kreisky, Dohnal, Gratz als Vorbilder

Begonnen hat diese Laufbahn in der Schülervertretung, dann als Chef der Sozialistischen Jugend Wien und mit dem Engagement gegen das AKW Zwentendorf. Der "Sohn von Wechselwählern" – der Vater Pharmavertreter, die Mutter Sekretärin in einer Anwaltskanzlei –, der ein paar Semester Jusstudium in seinem Lebenslauf anführt, nannte Bruno Kreisky seine "politische Vaterfigur", zählte Frauenministerin Johanna Dohnal zu seinen Vorbildern, aber auch den Wiener Bürgermeister Leopold Gratz, "der kein Dogmatiker war, auch andere Meinungen zuließ und das Gespräch mit den Jugendfunktionären suchte".

Das ist so eine Sache mit Vorbildern: In ihrem Glanz sonnt es sich angenehm. Aber: Die Politik, die Faymann, der mit 25 Jahren Gemeinderat in Wien wurde und mit 28 Geschäftsführer der Wiener Mietervereinigung, einer Machtbastion in der Bundeshauptstadt, war komplett anders. Die Kritik der roten Jugendorganisationen fand in ihm keinen Ansprechpartner, sie wurde ignoriert und als irrelevant abgetan.

Andere Schwerpunkte als Kreisky

Wo Kreisky die Partei und das Land buchstäblich und für Generationen wirksam öffnete, ist von Faymann bis auf den attraktiven Fototermin beim traditionellen Sommerfest der Roten im Gartenhotel Altmannsdorf kein authentischer Kontakt zu Künstlern oder Intellektuellen überliefert. Faymann setzte andere Schwerpunkte in seiner Arbeit: Innerparteiliche Debatten, ideologische Neuverortungen der Sozialdemokratie in einer veränderten Gegenwart und für die Zukunft waren seine Sache nicht. Derartige Initiativen aus der Partei wurden alle als störende Interventionen ignoriert.

Vorrangig ging es um Machterhalt, Kanzleramterhalt, Ruhe im Laden und möglichst friedliche Koexistenz mit dem vertrauten Koalitionspartner ÖVP. Die Rückeroberung roter Kernschichten von der FPÖ ist gescheitert, mit den Grünen fremdelte Faymann.

Heimat Boulevard

Seine Welt war eine andere. So richtig Politik nach seinem Geschmack machen konnte der Vater zweier Töchter, der mit der Wiener Gemeinderätin Martina Faymann-Ludwig verheiratet ist, ab 1994. Da übernahm er das Amt des Wiener Wohnbaustadtrats. Eine Funktion, in der man viel Gutes tun, schön fotografieren und noch mehr darüber schreiben und lesen lassen kann – wenn man die richtigen Partner für diese politisch hoch ertragreiche Spielwiese hat. Faymann hatte sie. Er wusste sie zu bedienen und für sich zu nutzen. Geben und Nehmen, das ist ein Prinzip der Faymann'schen Politik – inklusive klares Freund-Feind-Schema. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Der Boulevard war für ihn, und Faymann war für den Boulevard. Er wurde seine Heimat, teuer (durch öffentliche Gelder für Inserate) alimentiert, im Gegenzug dafür wurde der bedrängte Faymann von Krone, Österreich und Heute bis zum Schluss brav eskortiert.

Retten konnten sie ihn nicht. Dabei hatte Faymanns bundespolitische Karriere mit einem noch nie dagewesenen Kniefall vor der Kronen Zeitung begonnen, der ihn wie ein böser, peinlicher Schatten verfolgte. In einem Brief an den "sehr geehrten Herausgeber" Hans Dichand legten er und der damalige Kanzler Alfred Gusenbauer im Juni 2008 einen U-Turn in der Europapolitik hin, indem sie sich plötzlich für Volksabstimmungen über künftige EU-Verträge aussprachen – wie von "Onkel Hans" lange gewünscht.

Der ÖVP reichte es. Es folgten Neuwahlen mit Faymann als Spitzenkandidat, Rot-Schwarz tat sich wieder zusammen, Faymann entdeckte Europa glaubhaft für sich – und vergaß, die Partei mitzunehmen. Von 20 Wahlen in seiner Ära setzte es 18-mal Verluste – die letzte schmachvolle Niederlage mit Rudolf Hundstorfer bei der Bundespräsidentenwahl läutete Faymanns Ende ein. Er hat bis zuletzt gekämpft und kämpfen lassen. Nun ist der Vorhang für den Pragmatiker der Politik, den Techniker der Macht, den Absicherungskünstler in eigener Sache gefallen. (Lisa Nimmervoll, 10.5.2016)