Für Griechenland wird es keinen Schuldenschnitt (Haircut) in dem Sinn geben, dass ein Teil der Verbindlichkeiten von den Europartnern einfach erlassen wird. "Wir reden über Laufzeiten von Krediten", stellte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am Montag bei einem Sondertreffen der Eurominister in Brüssel klar. Und es geht um mögliche Nachlässe bei den Zinsen, die die Gläubiger von der Regierung in Athen für die Bereitstellung von Hilfskrediten verlangen, sei es bilateral oder im Zuge des gemeinsamen Rettungsmechanismus (ESM).
Eine definitive Entscheidung darüber erwartete Dijsselbloem nicht. Vielmehr gehe es darum, wie beim informellen Treffen in Amsterdam vor drei Wochen vereinbart, eine abschließende Bewertung der von Athen vorgenommenen Spar- und Reformprogramme vorzunehmen, auf politischer Ebene die Evaluierung voranzutreiben. Die Bedingungen dafür hatte das griechische Parlament in der Nacht davor mit entsprechenden Gesetzesbeschlüssen geschaffen. Damit war auch klargestellt, dass der jüngsten Forderung der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, zum dritten Eurohilfsprogramm (noch) nicht nachgekommen wird. Wie berichtet, begrüßt der IWF zwar die Reformen, die das Land bis zum Jahr 2018 wieder an die Finanzmärkte zurückführen soll. In drei Jahren wird ein Primärüberschuss von 3,5 Prozent des BIP prognostiziert, so wie die Experten der Gläubigertroika und die Regierungsverhandler in Athen es ausgehandelt haben.
Budgetlücke 2018
Sollte die Konjunktur aber nicht entsprechend anziehen, wie der IWF es erwartet, könnte sich ein Loch im Budget auftun. Lagarde hatte daher in Amsterdam angeregt, dass die Griechen mit parlamentarischen Vorabbeschlüssen schon jetzt ein "Notpaket" verabschieden, das umgesetzt werden soll, wenn die Budgetzahlen bis 2018 aus dem Lot geraten. Das zu tun, hat die Regierung von Premierminister Alexis Tsipras aber verweigert, weshalb die IWF-Chefin in einem Brief von den Finanzministern verlangte, einen Schuldenschnitt zu erwägen.
Sonst könne der IWF der weiteren Beteiligung an Hilfen (sprich, an der Auszahlung von Krediten im dritten Programm) statutengemäß nicht zustimmen. "Nachhaltigkeit" von Budgets oder der "Schuldentragfähigkeit" wird im Währungsfonds höchste Priorität eingeräumt.
Die Niederlande, aber auch Deutschland mit Finanzminister Wolfgang Schäuble sind aber nicht bereit, schon jetzt über konkrete Schuldennachlässe zu reden. Aber die Zeit drängt. Um nicht zahlungsunfähig zu werden, soll Athen noch vor dem Sommer mehr als fünf Milliarden Euro brauchen, um Altschulden tilgen zu können. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici drängte die Eurogruppe daher, die Reformanstrengungen der Griechen anzuerkennen. Das sollte auch geschehen, sodass bis zum nächsten regulären Treffen der EU-Finanzminister am 24. Mai ausreichend Zeit bleibe, über Zinsnachlässe und die Verlängerung von Kreditlaufzeiten zu verhandeln, was den Rückzahlungsdruck auf Griechenland zumindest etwas erleichtern würde. "Riesige Summen" dürfe man sich freilich nicht erwarten, sagte ein Finanzminister, denn die Zinsaufschläge in den Krediten seien schon jetzt nicht sehr bedeutend, weil das Zinsniveau auf den Märkten sehr, sehr niedrig sei.
Dass eine Situation eintreten könnte, in der der IWF aus den Europrogrammen ganz aussteigt, wird in der Eurogruppe für wenig wahrscheinlich gehalten. Das einflussreiche Deutschland besteht darauf, dass der finanzpolitisch strenge Währungsfonds an Bord bleibt. Am Ende wird es also, wie schon in der Vergangenheit, auch eine politische Entscheidung sein, wann Lagarde grünes Licht gibt und Athen die Schuldentragfähigkeit attestiert. (Thomas Mayer aus Brüssel, 9.5.2016)