Zadi und das zarte Vieh – seit 2006 widmet sich Gerhard Zadrobilek der Zucht von Wagyu-Rindern, deren Fleisch die Gourmets verzückt.

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Tour de France 1987: Gerhard Zadrobilek klettert zum zehnten Platz der Königsetappe nach L'Alpe d'Huez, wird im Gesamtklassement 14.

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Laab im Walde – Das letzte Stück des Weges zu Gerhard Zadrobilek führt bergan durch den Wald. Einen sattgrünen Tunnel von Laubwald, der sich zu einer Wiese hin öffnet, an deren Rand das schmucke Holzwohnhaus mit der Veranda steht. Den Weg blockieren mutige Hühner, etwas abseits grasen schwarze Rinder, und der Hausherr weist auf einen jungen Wildhasen hin, der sich in die Böschung duckt. "Er vertraut auf seine Tarnung, aber er hat sich daran gewöhnt, dass ihm niemand etwas tut", sagt Zadrobilek. Der Hase und er wirken zufrieden.

Bedauernde Worte wegen des mitgebrachten schlechten Wetters schneidet der drahtige 54-Jährige ab. Was soll daran schlecht sein, fragt der Nebenerwerbslandwirt Zadrobilek aus Laab im Walde, eine halbe Autostunde vom Zentrum Wiens entfernt. Da blitzt der Trainer durch, der in Seminaren, Coachings, Impulsreferaten mentale Fitness und Zugänge zu Themen wie Erfolg, Motivation, Zielerreichung und Teamarbeit vermittelt – sein Haupterwerb, sein dritter bis vierter Beruf.

Der erste Beruf, den Gerhard Zadrobilek ausübte, war Installateur. Der Sohn eines Malermeisters, aufgewachsen mit drei Geschwistern in Breitenfurt bei Wien, hat die Lehre durchgezogen, obwohl er schon drauf und dran war, einer der bemerkenswertesten Radsportler zu werden, die Österreich je hervorgebracht hat.

Lautlose Inspiration

Um jenen nachzueifern, die auf ihren Geräten so lautlos auf der Ausfallstraße in den Wienerwald an seinem Elternhaus vorbeizogen, wandte er sich mit 14 Jahren an den Wiener Klub Vöslauer Heilquelle. Hobbyradler gab es damals in diesem Sinn nicht. "Radfahren hieß Rennen fahren", sagt Zadrobilek. Er fuhr sie mit Zustimmung, aber arbeitsbedingt ohne ausufernde Unterstützung der Eltern. Neben Talent gebot Zadrobilek über das unbedingt nötige Durchhaltevermögen, um nach einem langen Arbeitstag noch Trainingskilometer zu absolvieren. "Dafür bin ich eher belächelt worden." Aber auch belohnt. Während Alterskollegen "weggebrochen" sind, "als es härter wurde", folgte bei Zadrobilek vielen Siegen der Wechsel zu MUT Stockerau. 1981 kletterte der 19-Jährige im Dress des Regionalteams Niederösterreich bei der Österreich-Rundfahrt über den Großglockner ins Gelbe Trikot und in eine ihn "fast überfordernde Situation". Mit der Schlagzeile "Die Rundfahrt ist verloren!" verlieh der damalige Doyen der Radsportberichterstattung seiner Überzeugung Ausdruck, dass der Jungspund das Gelbe nie für Österreich nach Wien, also nach Hause bringen könne.

Zadi, wie sie ihn nannten, triumphierte aber als bisher jüngster Fahrer, stand plötzlich im Blickpunkt der Öffentlichkeit und fand Aufnahme im Heeres-Leistungszentrum Südstadt. Als er jedoch seinem Ausrüster Puma nicht wie gefordert zugunsten Adidas' entsagen wollte, setzte sich auch der Radsportverband (ÖRV) für seine Entfernung aus dem Leistungsmodell ein. Zadrobilek galt plötzlich als Rebell und knüpfte fast gezwungenermaßen Kontakte zur Profiszene.

1982 heuerte er beim Schweizer Team Puch-Eorotex an, fuhr schon im ersten Jahr die Vuelta a España, also Tagespensa von mehr als 200 statt der gewohnten maximal 160 Kilometer und dreiwöchige statt zehntägige Rundfahrten. "Zwei Jahre habe ich gebraucht, bis ich den Umstieg geschafft habe." Eine Sprosse der Erfolgsleiter war das italienische Team Atala, weit oben an kam Zadrobilek dann bei Supermercati Brianzoli, der Mannschaft um die alternde Legende Francesco Moser. Als Helfer des Trientiners, vor allem aber als einer, der noch Leistung für die Chefs bringt, wenn der Rest längst abgehängt ist, machte er sich einen Namen. Dass der Austriaco auch bald gut genug Italienisch konnte, um mit der Gazzetta dello Sport gleichsam aus dem Herzen des Teams zu sprechen, schadet auch nicht.

1987 sollte er bei seiner ersten Tour de France vor allem Claudio Corti helfen, als aber der Kapitän vom Rad stieg, drohte sich die Mannschaft aufzulösen. Übrig blieben der Österreicher in Schlagdistanz zur Spitze und Stefano Allocchio, heute ein Mitorganisator des Giro d'Italia. Zadrobilek fürchtete, als Einzelkämpfer aus dem Rennen genommen zu werden und flehte seinen Kollegen an, bei der Stange zu bleiben. "Ich habe versprochen, für ihn in Paris den Sprint anzuziehen, aber dafür waren wir dann beide zu platt."

Tatkräftiges Opfer

Platt, aber glücklich mit Zadis 14. Platz, rund 40 Minuten hinter dem irischen Gesamtsieger Stephen Roche, der auch bei der folgenden WM in Villach triumphierte. Zadrobilek, daheim als Profi ein Kuriosum und eher misstrauisch beäugt, versagte: "Dieses Rennen habe ich runtergeleert."

Trost war ein gutdotierter Vertrag beim Team Weinmann – La Suisse des gewieften Taktikers Paul Köchli, der Zadrobilek eine quasi fruchtbar furchtbare Niederlage bescherte. Denn bei der Tour 1988 musste der Neue zugunsten des kanadischen Kapitäns Steve Bauer, dem er am Tourmalet über eine akute Schwäche hinwegzuhelfen hatte, seine Ambitionen auf einen absoluten Spitzenplatz hintanstellen.

Wie es gelingt, aus der Opferrolle, in der er sich damals sah, in die Gestalterrolle zu schlüpfen, ist heute auch Thema von Zadrobilek-Seminaren. Ebenso die Möglichkeit, in einer Niederlagen den Grundstein zum Erfolg zu legen. 1989 und im Dienst von 7 Eleven biss sich ein schwacher Zadrobilek durch die Tour und münzte die in Frankreich unter Blut, Schweiß und Tränen aufgebaute Form in den Sieg beim Weltcuprennen Clásica San Sebastián um – solo über gut 140 Kilometer.

Erfüllter Bubentraum

Nach einem tristen Jahr im niederländischen Team PDM ("Ich fühlte mich wie unter Haien und Hyänen") stieg Zadrobilek vom Rennrad aufs Mountainbike und trug fünf Jahre zur Etablierung dieses Sports bei. Bis heute der einzige Radler, der sowohl auf der Straße als auch im Gelände (Kirchzarten, Bromont) im Weltcup siegte, begann er sich aber parallel mit dem Hausbau und der Entwicklung einer Landwirtschaft einen Bubentraum zu erfüllen – gegen den Widerstand der Gemeinde. "Man hat es dem Radlfahrer nicht geglaubt und zugetraut. In und mit der Natur zu arbeiten war mir aber immer wichtig. "Ich habe schon als Kind bei einem Schafsbauern mitgeholfen."

Erste Erfolge stellten sich in der Zucht schottischer Hochlandrinder ein. Seit 2006 setzt Zadrobilek auf Wagyu-Rinder, eine japanische Rasse, die das hochwertigste und teuerste Fleisch liefert. Zur Präsentation des Projekts, das vieler Mythen zu entkleiden ist ("Dass die Tiere massiert werden, ist zum Beispiel eine Mär. Wie soll das auch gehen?"), kam sogar der japanische Botschafter in den Wienerwald.

Mittlerweile besitzt Zadrobilek 40 Stück, 16 werden außer Haus gemästet, sieben bis zehn sollen pro Jahr "Nose to Tail" vermarktet werden – vor allem mit dem guten Namen Zadrobilek, den der Ex-Sportler pro Jahr mit 40 bis 50 Einsätzen als Coach pflegt, aber auch als Fachkommentator und als Teilnehmer an der fünften Staffel der ORF-Show "Dancing Stars" in Erinnerung rief. Zadrobilek: "Für mich als Monotonmotoriker war das hart und eine der größten mentalen Herausforderungen." (Sigi Lützow, 9.5.2016)