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Der Protest gegen den Bundesparteivorsitzenden der SPÖ ist unüberhörbar geworden. Nun wird der Unmut in den Hinterzimmern von den Parteigranden verhandelt. Man bastelt an einem neuen Vorsitzenden. Frau wird es wohl keine, vertraut man den in allen Innenpolitikspalten des Landes abgedruckten Gerüchten. Denn so wird im echten Leben über das SPÖ-Führungspersonal diskutiert. Die Landesparteichefs und Gewerkschafter schnapsen sich etwas aus, dazwischen telefoniert irgendwer mit einem Journalisten. Wir lesen die Zeitung und sind nichts als Passagiere auf unserem alten Tanker.

Um den wieder flottzumachen, müssen aber alle Hände an Deck. Unsere Forderung daher an den neuen SPÖ-Vorsitzenden: Lass Dich wählen! Direkt, von allen Mitgliedern. An der Frage, wie Du zu Parteidemokratie stehst, werden wir Dich messen. Denn nur ein Vorsitzender, der es den Mitgliedern ermöglicht, sich realpolitisch einzubringen, ist einer, der die SPÖ retten kann.

Wir fordern das nicht, weil wir uns der Illusion hingeben, dass durch ein Mehr an Demokratie automatisch alles "links" und "gut" würde. Wir fordern das, weil die SPÖ kein Umfrageinstitut inklusive PR-Team, sondern eine Mitgliederpartei sein muss, um Wahlen zu gewinnen und dieses Land zum Besseren zu verändern. Die immer kleiner werdende Einheitsfront der Geschlossenheitsfanaten erstickt die SPÖ. Der erste Job für Dich als neuen Parteivorsitzenden lautet daher: Bring dieses nordkoreanisch anmutende Statut zu Fall.

Freies Spiel der Ideen

Denn es kostet uns viel zu viel. Man sieht es an der Brachialgewalt, die es braucht, um Werner Faymann abzulösen. Anders als seine Vorgänger spielt er bei seiner Demontage nicht freiwillig mit. Eine demokratische Ablöse in Form einer kompetitiven Wahl sieht das SPÖ-Statut nicht vor. Die Energie, die jetzt ins Ränkeschmieden fließt, überzeugt noch keine einzige Wählerin, produziert nicht eine politische Idee. Das Schauspiel ist würdelos, der Erfolg ungewiss. Das geht viel besser.

In Ländern wie Belgien, Frankreich, Italien und Kanada wählen die Mitglieder sozialdemokratischer Parteien ihre Vorsitzenden. Gerade das jüngste Beispiel der Labour Party in Großbritannien mit einer Verdoppelung der Mitgliederzahlen von 200.000 auf mehr als 400.000 hat gezeigt, welch vitalisierendes Moment ein demokratischer Prozess auslösen kann.

Denn politische Diskussionen und das freie Spiel der Ideen sind zentral für eine breite und attraktive Partei. Je größer die Vielfalt an Personen, die die Sozialdemokratie repräsentieren, desto besser. Wie kann die Kür solcher Mandatare und Parteifunktionäre organisiert werden? Genau dafür brauchen wir eine neue Struktur, die sich der innerparteilichen Demokratie verschreibt. Listen müssen in Vorwahlen fixiert werden, denn Gehorsam ist die falsche Qualifikation für ein Mandat.

Gnade der Hinterzimmer

Wir brauchen Menschen mit Überzeugungskraft, die sich in Wahlen mit mehreren Kandidaten durchsetzen können. Unsere zentrale Forderung: Wählen wir den Parteivorsitz direkt. Wie kann das in der Praxis aussehen? Wer 500 Unterstützungserklärungen von Mitgliedern oder drei Nationalratsabgeordneten im Rücken hat, soll kandidieren. Die Kandidaten müssen ihre inhaltlichen Programme vorstellen und die Mitglieder für ihre Ideen gewinnen.

Jeder Nachfolger von Werner Faymann, der in so einer Direktwahl überzeugen kann, stärkt damit seine eigene Position. Seine Macht verdankt er nicht der Gnade der Hinterzimmer, er muss, einmal in dieser Position bestätigt, keine Gefälligkeiten einlösen, er hat eine breite und tief in der Basis wurzelnde Legitimität. Das bringt einige zusätzliche Freiheitsgrade, die in der Neugestaltung der SPÖ nötig sein werden.

Ideen präsentieren

Egal, wer Du bist, die Art Deiner Bestellung ist eine politische Hypothek, weil sie ein Signal für "More of the same", für ein Weiterwursteln wie bisher, ist. Gleichzeitig ist diese Situation aber auch Deine Chance. Ein demokratischer Neuanfang, im Zuge dessen Du Dich den Mitgliedern direkt zur Wahl stellst, wäre ein starkes Zeichen der Öffnung. Denn Wahlen sind viel mehr als Abstimmungen. In einer Wahl werden Ideen präsentiert und diskutiert, Alternativen entwickelt und letztlich wird über die politische Ausrichtung der Partei entschieden.

Eine Wahl wäre so auch ein erster Schritt, um die verlorene und so dringend benötigte Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Ein demokratischer Wettstreit zwischen verschiedenen Personen, die für verschiedene Inhalte und Führungskulturen stehen, ist genau das, was unsere Partei jetzt braucht. Und eine glaubwürdige neue Führung mit breiter Verankerung in der Partei ist dann auch wieder attraktiver für die Wählerinnen und Wähler. (Der Standard, Eva Maltschnig, 8.5.2016)