Die Stärkung der guten Wirtschaftsbeziehungen mit den USA wäre auch deshalb gut, weil die Amerikaner jetzt mit Asien ein ähnliches Abkommen geschlossen hätten, erklärt Wifo-Chef Karl Aiginger in der ORF-Pressestunde am Sonntag.

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Wien – Das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wäre für den scheidenden Wifo-Chef Karl Aiginger "an sich ein Segen", da mehr internationale Arbeitsteilung generell den Wohlstand erhöhe. Beim Abkommen TTIP seien aber auf EU-Seite viele Fehler gemacht worden, ein "Wahnsinn" sei etwa die Geheimhaltung der Verhandlungen. Aiginger fordert deshalb ein "TTIP light".

Man solle versuchen, jene Teile, die unproblematisch sind, in ein vorläufiges Abkommen zu packen und dann nachjustieren, schlug Aiginger am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" vor. "Machen wir das, was für beide Seiten positiv ist – ohne Geheimklauseln", so der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Österreich gehört zu Profiteuren

In den kommenden 24 Monaten werde ein "großes Abkommen" aber wohl nicht zustande kommen. Das sei weder in Europa noch in den USA durchsetzbar, zumal die Anwärter für das US-Präsidentenamt schon gesagt hätten, sie wollten TTIP nicht.

Österreich habe sich bisher vor jeder Öffnung gefürchtet, schließlich aber zu den großen Profiteuren gehört, erinnert Aiginger. Die Stärkung der guten Wirtschaftsbeziehungen mit den USA wäre auch deshalb gut, weil die Amerikaner jetzt mit Asien ein ähnliches Abkommen geschlossen hätten. Wichtig bei TTIP wäre für Aiginger, dass die jeweils höheren Standards kommen.

Die Abschaffung des 500-Euro-Scheins ist für Aiginger "der Versuch, noch mehr Transparenz in die Zahlungsvorgänge zu bringen". Die damit einhergehende Verunsicherung, dass Bargeld bald ganz verschwinden könnte, hält der Ökonom für "besonders schädlich". Zumal die "großen Kriminellen" den Fünfhunderter nicht brauchten.

Für kleinere Kriminelle sei der lilafarbene Schein vielleicht eine Möglichkeit, am Schwarzmarkt Geschäfte zu machen. Die großen Kriminellen machten ohnehin Firmen, so Aiginger.

Kein Masterplan zur Abschaffung des Bargelds

Er selbst vermutet keinen "Masterplan" in Richtung Abschaffung des Bargelds. Weder den wirtschaftspolitischen Akteuren noch der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) traue er das zu.

Die EZB hat vor wenigen Tagen angekündigt, die Ausgabe der größten Euro-Banknote Ende 2018 einzustellen. Die heimische Notenbank war und ist dagegen.

Aiginger fordert erneut eine Gebührenbremse . Gleichzeitig dazu müsse es eine Steuerreform geben, welche die Progression wegnimmt. Insgesamt forderte Aiginger, der noch bis September dem Wifo vorsteht, von der Politik eine Verwaltungs- und Bildungsreform. Die Mindestsicherung verteidigte er und sieht kein großes Missbrauchsproblem.

Ungeschickter Staat

Auch die letzte Steuerreform hat laut Aiginger keine Antworten auf Inflation und steigende Gebührenbelastung geliefert. "Der Staat ist hier sehr ungeschickt", konstatierte der Wifo-Chef. Einerseits wolle man mehr Beschäftigung und besteuere andererseits den Faktor Arbeit besonders stark. Die jüngste Steuerreform habe leider nicht auf einem Gesamtkonzept beruht und nicht dazu geführt, dass die Abgabenquote gesenkt wurde. Stattdessen habe man sich zu sehr auf die Lohnsteuer konzentriert. Aiginger wünscht sich generell eine "starke Entlastung des Faktors Arbeit".

Aiginger fordert eine Gebührenbremse sowie eine weitere Steuerreform. Wichtig sei ebenso, dass das Bildungssystem reformiert und mehr in Forschung und Umwelttechnologie investiert werde. Hierbei sieht sich der scheidende Wifo-Chef als einsamer Rufer in der Wüste: "Das bin ich immer, das gehört zu meinem Job dazu." Derzeit erarbeitet sein Institut bis Juni ein Gesamtkonzept, wo Österreich im Jahr 2025 stehen will. "Die Reformkraft muss wiederhergestellt werden, sonst kommen wir wieder auf den Pannenstreifen", warnte er.

Die Mindestsicherung verteidigte Aiginger. Beispiele von Missbrauch seien Einzelfälle, man solle nicht generell gegen diese Sozialleistung sein, denn: "Das war ein wirklich großer sozialer Fortschritt." Allerdings sei es denkbar, den Zugang zur Mindestsicherung zu differenzieren, je nachdem, wie lange jemand ins Sozialsystem eingezahlt hat. Aiginger will die Leistung zudem mit mehr Bildungsangeboten und mehr Möglichkeiten, wie man zu Jobs kommt, kombinieren. Für den Wifo-Chef steht jedenfalls fest, dass der größte Teil der Bezieher – auch Flüchtlinge – arbeiten will. Skeptisch ist er gegenüber dem Vorschlag, die Mindestsicherung in Naturalleistungen auszuzahlen. (APA, 8.5.2016)