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Wer am Scheitern einer Beziehung schuld ist, ist oft nicht eindeutig zu klären. Doch häufig steht genau diese Frage im Zentrum eines Scheidungsverfahrens.

Foto: dpa/pleul

Wie oft man mit dem Partner geschlafen hat und wie der Sex war, das bespricht man üblicherweise nicht gern von Angesicht zu Angesicht mit völlig fremden Menschen. Und doch landen viele in dieser Situation: Das berühmte Schmutzwäsche-Waschen bleibt oft auch jenen Ex-Partnern nicht erspart, die sich dagegen immun glaubten. Der Grund liegt häufig darin, dass vor Gericht über die Verschuldensfrage gestritten wird. Denn es macht vor allem für die Höhe des Unterhalts einen großen Unterschied, ob man schuldig geschieden wird oder nicht.

"Eheverfehlung"

Um bis zu 100 Prozent höher kann ein Unterhalt ausfallen, wenn dem Zahlenden sogenannte "Eheverfehlungen" oder "ehrloses oder unsittliches Verhalten" nachgewiesen werden kann – oder anders gesagt: Ist der oder – wie zumeist – die Unterhaltsempfangende selbst (mit)schuld an der Scheidung, kann sich die Unterhaltszahlung um bis zu 100 Prozent reduzieren.

In der Mehrheit der europäischen Länder ist dieses Verschuldensprinzip bereits abgeschafft worden. In Österreich richteten vor zwei Jahren die Familienrichter und -richterinnen die Forderung an die Politik, das ebenfalls zu tun – bisher ohne Erfolg.

Getrennte Haushalte

Dabei gebe es beispielsweise in Deutschland ein praktikables Modell, das Österreich mit einigen Anpassungen übernehmen könnte, meint etwa die Rechtswissenschafterin Barbara Beclin vom Institut für Zivilrecht an der Uni Wien. Dieses Modell, das am Samstag am Feministischen JuristInnentag in Wien vorgestellt wurde, sieht vor, dass eine Ehe dann geschieden werden kann, wenn sie "gescheitert ist" – so das Gesetz. Gescheitert ist eine Ehe demnach etwa dann, wenn das Ex-Paar seit einem Jahr in getrennten Haushalten lebt und beide der Scheidung zustimmen. Beim dreijährigen Getrenntleben reicht der Scheidungswille eines Partners.

Anders in Österreich: Zwar kann auch hier die Ehe ohne Verschulden geschieden werden, wenn das Paar seit drei Jahren getrennt lebt oder man sich im Einvernehmen trennt. Doch auch bei der Scheidung nach Heimtrennung kann einer dem anderen Eheverfehlungen vorwerfen – und das Prüfen solcher Vorwürfe inklusive Zeugenaussagen und sonstiger Beweisaufnahmen wird fast zwangsläufig "schmutzig".

Abschreckung

Die Angst vor emotional belastenden – und nicht zuletzt teuren – Scheidungsverfahren schrecke viele Paare ab, sich zu vermählen, glaubt Beclin. Die Zivilrechtlerin fordert, dass der Unterhalt nicht mehr an das Verschuldensprinzip anknüpft, sondern daran, wie lang die Ehe bestanden hat und wie die Rollen aufgeteilt waren. Hat beispielsweise die Frau die Hauptlast der Kinderbetreuung und Haushaltsführung getragen und deswegen auf Karriere verzichtet, so sollte dies stärker finanziell abgegolten werden als in Fällen, wo beide gleich stark im Beruf engagiert waren und die Kinder außer Haus betreut wurden.

Das Verschuldensprinzip sollte abgeschafft werden, fordert Beclin. Zwar bestehe das Risiko, dass dann manche Frauen weniger Unterhalt bekommen werden als nach der jetzigen Rechtslage, doch könnte man diese Einbußen durch das Teilen von Pensionsansprüchen ausgleichen, so die Zivilrechtlerin.

Pensionsansprüche teilen

In Deutschland gibt es das bereits: Bei jeder Scheidung wird ein Versorgungsausgleich geprüft, wobei beide Ehepartner ihre während der Ehe erworbenen Pensionsansprüche offenlegen. Das Gericht ermittle die Differenz zwischen den beiden Pensionsansprüchen, wobei die Hälfte dieses Differenzbetrags auf den Partner mit der niedrigeren Anwartschaft übergehe, erklärt die Landshuter Scheidungsanwältin Heike von Malottki.

Ein Modell, das auch für Österreich denkbar wäre, meint Beclin. Zudem könnten besser verdienende Partner (meist Männer) schon während der Ehe zur Zahlung von Pensionsversicherungsbeiträgen für die aufgrund der Kinderbetreuung nur teilzeitbeschäftigte Frau verpflichtet werden, um das Altersarmutsrisiko der Frau zu verringern.

Der Feministische JuristInnentag versammelt JuristInnen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum und findet heuer zum 42. Mal und erstmals in Österreich statt. (Maria Sterkl, 7.5.2016)