Die ersten an einer ägyptischen Mumie entdeckten Tätowierungen mit Tiermotiven sind nicht leicht erkennbar: Am Hals der Frau wurden ein Horusauge und links und rechts zwei sitzende Affen gestochen.

Foto: Anne Austin

London/Wien – Ötzi hatte insgesamt 61 Tätowierungen, und Marko Arnautovic hat auch schon ziemlich viele. Der Mann aus dem Eis gab sich vor 5.200 Jahren allerdings mit einigen Strichmustern zufrieden. Und um sie sichtbar zu machen, wurde einfach Kohlepulver in die Wunden gerieben. Ähnliche einfache Tätowierungen, die aus Strichen und Punkten bestehen, waren bisher auch von einigen ägyptischen Mumien bekannt.

Doch kürzlich machte die US-amerikanische Bioarchäologin Anne Austin (Stanford University) bei der Untersuchung von Mumien in Deir el-Medina eine erstaunliche Entdeckung: Sie fand an einer kopf- und handlosen Mumie, die mehr als 3.000 Jahre alt ist, Symbole am Hals, die sitzenden Affen ähnelten und die Austin zunächst für aufgemalt hielt.

Doch bei genauerer Untersuchung zeigte sich, dass es sich um Tattoos handelte, von denen die mumifizierte Frau aus dem Alten Ägypten ungefähr 30 besaß. Das am öftesten verwendete Motiv waren Horusaugen: "Egal, aus welchem Winkel man den Körper dieser Frau betrachtete, blickte ein Paar Horusaugen zurück", sagt Austin im Gespräch mit dem Fachblatt "Nature".

Lotosblüten an den Hüften

Zusammen mit französischen Kollegen machte sie Infrarotaufnahmen der Tätowierungen, die aufgrund der runzligen Haut kaum mehr erkennbar waren, und "entzerrte" die Fotos. Und auf diese Weise wurden dann neben den sitzenden Pavianen am Hals Lotosblüten an den Hüften und Kühe an den Armen sichtbar – die ersten Tier- und Pflanzentattoos, die je auf einer ägyptischen Mumie entdeckt wurden.

Die meisten der Symbole standen mit der ägyptischen Muttergottheit Hathor in Verbindung, weshalb Anne Austin davon ausgeht, dass die Tätowierungen der Frau magische Kräfte verleihen sollten, als sie singend oder musizierend Rituale für Hathor abhielt.

Da einige der Tattoos ausgebleichter sind als andere, vermuten die Forscher, dass sie über einen langen Zeitraum hinweg gestochen wurden, wodurch der Status der Frau vermutlich wuchs. Sicher ist sich Austin nur, dass jede einzelne Prozedur damals sehr schmerzhaft war und länger gedauert hat als heute. (Klaus Taschwer, 7.5.2016)