Bild nicht mehr verfügbar.

Konrad Zuse im Jahr 1980.

Foto: AP

Ein paar Hundert Relais, Schrittschalter und ein einfaches Gleitkomma-Rechenwerk. Was der deutsche Bauingenieur Konrad Zuse im Jahr 1941 in Berlin präsentierte, wird heute von jedem Taschenrechner ausgestochen. Das raumfüllende Gerät, es trug die Modellbezeichnung Z3, wog eine Tonne und schluckte 4.000 Watt an Leistung.

Der erste Digitalrechner der Geschichte hat mit Computern von heute kaum etwas gemein. Er lief mit einem Takt von rund fünf Hertz, schaffte also sekündlich gut fünf Rechenoperationen. Gesteuert wurde er mit Lochstreifen.

Das Patentamt schmetterte Zuse ab

Zwei Jahre darauf zerstörte ein Bombenangriff Zuses Werk. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges rang der Erfinder um Anerkennung für sein Schaffen, das unter dem NS-Regime zur Geheimsache erklärt worden war. Denn mittlerweile hatten Forscher und Militärs in Großbritannien und den USA Rechner entwickelt und reklamierten die Anerkennung für ihre Pionierarbeit.

Zuse baute 1961 seinen Z3 erneut auf. Das Bundespatentamt schmetterte seine Erfindung jedoch mangels Schöpfungshöhe ab. Es sollte noch einige Jahre dauern, ehe Historiker den Z3 als "Urcomputer" anerkennen sollten.

Eine Karriere im "Reich"

2010 feierte Deutschland den 100. Geburtstag des 1995 verstorbenen Erfinders. Seine zweifelsohne wichtigen technologischen Errungenschaften wurden mannigfaltig reflektiert. Ein Kapitel von Zuses Biografie blieb in vielen Ansprachen jedoch ausgespart: sein Verhältnis zu den Nationalsozialisten.

1935 heuerte Zuse bei den Henschel-Flugzeugwerken in Berlin an. Dort arbeitete man unter anderem daran, bessere Flügelbomben zu entwickeln. Zuses Bestrebungen, eine Rechenmaschine zu bauen, sollen dem Wunsch nach einer Beschleunigung dieser Arbeit entsprungen sein.

Seine Vorarbeiten mit dem Z1 brachten Zuse 1939 eine Empfehlung des NSDAP-Mitglieds Helmut Schreyer ein – und ermöglichten ihm, schon nach wenigen Monaten im Krieg den Soldatenhelm an den Nagel zu hängen und sich der Entwicklung des Z2 und schließlich des Z3 zu widmen. Das Militär versprach sich wichtige Fortschritte in verschiedenen Bereichen. Ein Jahr später entkam er dem Kriegseinsatz erneut nach kurzer Zeit.

Luftfahrtministerium bestellte den Z4

Auf Betreiben des Reichsforschungsrats wurden etwa 5.000 Wissenschafter freigestellt, um "kriegsrelevante Forschung" zu betreiben, dokumentierte der Historiker Sören Flachowsky in der "Zeit". Zuses Firma erhielt in der Folge immer wieder Aufträge vom NS-Regime, dem sie auch selbsttätig Angebote unterbreitete.

Zuse entwickelte außerdem die nächste Generation seines Rechners, Z4, im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums. Fertiggestellt wurde die Maschine Anfang 1945, Zuse konnte sie weitestgehend unbeschadet durch die Wirren der letzten Kriegstage retten.

Ein Rechner für Rassenforschung

Doch verband den Pionier mit den Nationalsozialisten mehr als geschäftliche Beziehungen im militärischen Bereich? Es gibt Hinweise, dass der Computerpionier dem Hitler-Regime auch ideologisch nahestand.

Wilhelm Füßl, Archivar am Deutschen Museum in München, hat sich mit Zuses Nachlass befasst, den seine Witwe 2006 dem Museum hinterlassen hat. Aus diesem, so berichtete Füßl dem "Spiegel", geht hervor, dass Zuse seine Rechenmaschine auch für die Erforschung von "Verwandtschaftsbeziehungen" von Menschen zur Verfügung stellen wollte – im Dienste der "Ahnenforschung" und "systematischen Rassenforschung".

Differenzierteres Bild des Pioniers

In seiner 1969 erschienenen Autobiografie zeichnet Zuse ein unpolitisches Bild seiner selbst. Er war "kein Nazi" heißt es dort, jedoch habe er "angesichts des Bombenkrieges auf die deutsche Zivilbevölkerung" auch nicht vorgehabt, "den Bau von Flugabwehrraketen zu sabotieren".

Die Geschichtsforschung geht mittlerweile differenzierter mit der Person Zuses um. Die Aufarbeitung des Menschen hinter der genialen Rechenmaschine wird freilich noch andauern. (gpi, 6.5.2016)