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In Griechenland regt sich Unmut über das nächste Sparpaket.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Die Arbeitswoche für die öffentlich Bediensteten in Griechenland war diese Woche kurz: Sie blieb auf Mittwoch und Donnerstag begrenzt. Montag war zugleich Ostermontag der orthodoxen Kirche, Dienstag hatte die linksgeführte Regierung zum Feiertag erklärt, um den 1. Mai "nachzuholen", der dieses Jahr auf einen Sonntag gefallen war. Seit Freitag ist wieder Generalstreik im öffentlichen Dienst. Dauern wird er bis Sonntag, denn dann will die Regierung über die neuen Spargesetze abstimmen lassen.

Den Reigen der Proteste eröffneten Freitagmittag die Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaft Pame. Sie zogen am Syntagma-Platz im Athener Zentrum vorbei. Züge und U-Bahnen standen still, der Großteil der Fähren zu den Ägäis-Inseln lief nicht aus. Auch die Zeitungskioske waren leer. Die Journalisten sind bis Samstag im Ausstand. Ihre Gewerkschaft stemmt sich gegen die Abschaffung der Standesprivilegien: die eigene Pensionskasse, die mit der Hauptkasse fusioniert werden soll, und das Ende der Sonderabgabe bei Werbung in den Medien, mit der die Journalistenkasse mitfinanziert wird. Es ist ein Beispiel für die vielen Berufsinteressen, mit denen die Regierung von Premier Alexis Tsipras nicht anders als ihre Vorgängerinnen bei Reformen zu kämpfen hat.

Vorgezogene Abstimmung

Der mindest ebenso große Gegner bleibt im Moment der Internationale Währungsfonds. IWF-Direktorin Christine Lagarde hat mit einem Brief die Choreografie für das Treffen der Euro-Finanzminister am Montag durcheinandergebracht. Der griechische Finanzminister sollte zur Sitzung kommen und endlich den Abschluss der Finanzverhandlungen über die Auszahlung der nächsten Kreditraten erreichen. Die Abstimmung über die neue Pensionsreform und die Einkommenssteuersätze wurde deshalb auf Sonntag vorgezogen. Tsakalotos sollte etwas vorzuweisen haben. Doch die IWF-Direktorin bekräftigte in dem Schreiben, das am Freitag von der "Financial Times" veröffentlicht wurde, ihre Haltung: Die Sparbeschlüsse der griechischen Regierung reichen nicht aus. Sie seien sogar kontraproduktiv.

Im Brief an die Euro-Finanzminister heißt es: "Wir glauben nicht, dass es möglich ist, einen Primärüberschuss von drei Prozent des BIP zu erreichen, indem man darauf vertraut, ohnehin hohe Steuern, die auf einer schmalen Steuerbasis erhoben werden, weiter zu erhöhen, exzessiv staatliche Ausgaben zu kürzen, die nicht verpflichtend sind, und auf Einmalmaßnahmen zu setzen, wie es in den vergangenen Wochen vorgeschlagen worden war."

Budgetüberschuss vor Zinsen

Die griechische Regierung hatte sich verpflichtet, bis 2018 einen Haushaltsüberschuss vor Abzug der Kreditzinsen von drei Prozent des BIP zu erwirtschaften. Dazu muss sie "Maßnahmen" mit einem Volumen von 5,4 Milliarden Euro treffen. 1,8 Mrd. soll die Pensionsreform bringen, ebenso viel die Erhöhung der Einkommenssteuer und die letzten 1,8 Mrd. verschiedene andere Abgaben- und Steuererhöhungen, darunter nochmals die Anhebung der Mehrwertsteuer von 23 auf 24 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte dieses Sparvolumens hat die Regierung bereits im Sommer und Herbst vergangenen Jahres durchgesetzt. Der Primärüberschuss 2015 fiel deshalb unerwartet positiv mit 0,7 Prozent des BIP aus – immerhin mehr, als die Vorgängerregierung des konservativen Premiers Antonis Samaras 2014 zustande gebracht hatte.

Informationen der Tageszeitung "Kathimerini" zufolge soll Finanzminister Tsakalotos mittlerweile bereit sein, die Eingangssatz der Einkommenssteuer doch noch so weit zu senken, wie es der IWF fordert. Die Regierung hat bereits einen Gesetzentwurf eingebracht, bei dem der Steuerfreibetrag von 9500 auf 9100 Euro gekürzt wird. Nun soll er auf den vom IWF gewünschte Sockel von 8.182 Euro fallen. Eine Bestätigung dafür war am Freitag nicht zu erhalten. Die Einkommenssteuersätze waren eine der "roten Linien" der Regierung Tsipras.

Unsicherer Ausgang

Der Premier geht nun in eine weitere unsichere Mitternachtsabstimmung. Samstagvormittag beginnt im griechischen Parlament die Debatte über die Pensionsreform und die Einkommenssteuersätze, Sonntagnacht findet das Votum statt. Den dritten Teil des Sparpakets – die Erhöhung verschiedener Abgaben und Steuern – hat die Regierung noch nicht als Gesetz vorgelegt. Ihre Mehrheit ist knapp. Das Linksbündnis Syriza und der rechtspopulistische Koalitionspartner Anel halten nur drei Stimmen mehr als die Opposition. Regierungsvertreter versichern, diese Mehrheit werde halten. Doch eine Reihe von Syriza-Abgeordneten haben ihren Missmut über die neuerlichen Sparmaßnahmen kundgetan.

Offen ist zudem weiter, in welcher Form die Regierung zusätzliche Sparbeschlüsse "auf Vorrat" für die Zeit nach 2018 und in Höhe von 3,6 Mrd. Euro treffen muss. Auch das fordert der IWF, ergänzend zu Schuldenerleichterungen. Über die sollte die Eurogruppe am Montag ebenfalls erstmals beraten. Angesichts der Uneinigkeit der Gläubiger scheint ein Abschluss der Finanzverhandlungen mit den Griechen bei der Sitzung derzeit nicht wahrscheinlich. (Markus Bernath aus Athen, 5.6.2016)