Als ich zwölf Jahre alt war und bevor die ersten klobigen elefantengrauen Kübel auf den Markt kamen, die sich Heimcomputer nannten, war das höchste der digitalen Gefühle mehrere Runden "Space Invaders" im Spielautomaten hintereinander – mit aufgewetzten Fingern vom Dauerknopfdrücken.

Technisch waren die Klassenkollegen und ich eher ärmlich aufgestellt. Wir hatten Kassetten und dazugehörige Rekorder. Wir spulten die verwurstelten Tonbänder mit Bleistiften auf und klebten sie mit Tixo zusammen.

Unfreiwillige Remixarbeiten sozusagen. Wir beneideten Glückspilze, die mit einem silbernen Walkman von Sony unterwegs waren, wir trugen grauenhafte Kopfhörer und hörten noch grauenhaftere Musik.

Die "Space Invaders" waren musikalisch vermutlich anspruchsvoller als der Schnitt durch meine Musiksammlung. Aber schon der Moment, an dem die Fingerkuppen sich auf die erste Tastatur legten, ließ eine große gemeinsame Zukunft ahnen.

Ich malte unterschiedliche Bildschirmschoner für eine Elektrogerätefirma und durfte im Gegenzug stundenlang an ihren Geräten sitzen. Irgendwann ging ich den Ladenbesitzern auf die Nerven (ich kann es ihnen nicht verübeln), und sie warfen mich hinaus. Ich malte analog weiter.

Die Sehnsucht nach dem digitalen Handeln jedoch blieb. Da war eine Welt hinter dem Plastik, weit über das Zweidimensionale hinaus. Ich wusste es. Jetzt muss man von Glück sprechen, wenn einen der weltweit vernetzte Kühlschrank nicht in Bälde zusammenpfeift, weil die Milch aus ist und der Schinken zu viel Fettanteil für die inakzeptablen Leberwerte in sich trägt.

Die Geldbörse ist kartendünn, der einkaufende Mensch gläsern, und die Bankomatgebühr lauert am wolkenverhangenen Horizont. Fast alles, was ich suche, ist nur einen Klick entfernt, meine Gedanken sind in Sekundenbruchteilen in Bewegung und mit hunderten Menschen geteilt. Die verlorengeglaubten Verwandten in Übersee grinsen mir wöchentlich ins Wohnzimmer, als wäre die jahrelange Trennung nie gewesen.

Das Internet rückt Menschen zusammen und zieht sie wieder auseinander. Wer hier keinen Zutritt hat, partizipiert nicht länger an einem großen Teil des Weltgeschehens. (Julya Rabinowich, 6.5.2016)