Hillary Clinton steht an einem Pult vor den chromglänzenden Tanks einer Mikrobrauerei – Jackie O's Brewery in Athens, Ohio – und erzählt von ihrer Reise quer durchs "Coal Country", durch die Kohleregion der Appalachen mit ihrem Malocherstolz, ihrem Lokalpatriotismus, ihrer mancherorts bitteren Armut. "Ich habe Leute getroffen, die zu Recht Dank erwarten dafür, dass sie, ihre Eltern und Großeltern dieses Land aufgebaut haben", sagt sie.

Über Generationen habe die Kohle der Appalachen die Lichter angehen lassen, die Fließbänder am Laufen gehalten. Dieses Kapitel sei nicht einfach nur ein Stück Geschichte, vielmehr stehe das ganze Land in der Schuld der heute so arg gebeutelten Kohlekumpel. Weshalb es ihnen in der Strukturkrise zu helfen habe – mit Steuergeld, Bildungsprogrammen, einer besseren Infrastruktur.

"Ich habe verstanden"

Es ist der Tag, an dem Donald Trump die Kandidatur der Republikaner fürs Weiße Haus gewinnt. Es ist der Tag, an dem praktisch feststeht, wer im Herbst das Finale ums Weiße Haus bestreitet: Eine frühere First Lady, Senatorin und Außenministerin wird gegen einem Immobilienmagnaten antreten, der noch nie ein Wahlamt innehatte. Auch wenn sich Clintons überaus hartnäckiger Rivale Bernie Sanders noch nicht geschlagen gibt: An ihrem Sieg im parteiinternen Wettlauf gibt es eigentlich keine Zweifel mehr.

Clinton jedenfalls ist mit ihren Gedanken längst beim Finale, ihr Gegner heißt nunmehr Trump. Ihr Auftritt in Jackie O's Brewery deutet an, mit welchen Waffen sie ihn zu schlagen gedenkt. "Ich habe verstanden", signalisiert sie den frustrierten Malochern, von denen viele in dem Milliardär aus New York ihren neuen Helden gefunden haben, der auf sämtliche Regeln der politischen Korrektheit pfeift und dem sie gerade deshalb zutrauen, den Status quo aufzumischen. Trump gibt der Enttäuschung der wirtschaftlich Abgehängten eine schrille, aggressive, bisweilen vulgäre Stimme. Clinton versucht, die Vergessenen zurück auf ihre Seite zu ziehen.

Trump'sche Arithmetik

"Ich weiß: So viele Politiker haben so viele Versprechen gegeben, die dann nicht gehalten wurden. Bei mir wird das anders sein", beteuert sie in Athens. Sie fordert Trump auf, endlich konkret darzulegen, wie er praktisch durchsetzen wolle, was er in großen Sprüchen verkünde. Eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und die Mexikaner dafür bezahlen lassen? Wie soll das gehen? Oder: die Trump'sche Arithmetik. So hat der Tycoon behauptet, der Fiskus könne jährlich 300 Milliarden Dollar sparen, wenn man Medicare, dem steuerfinanzierten Gesundheitsprogramm für Senioren, nur gestatte, mit den Pharmakonzernen härter über Medikamentenpreise zu verhandeln. In Wahrheit gibt Medicare bloß 78 Milliarden Dollar (68 Mrd. Euro) pro Jahr für Arzneimittel aus. Es ist nur eine von vielen Ungereimtheiten im Kompendium ihres Gegners, auf die Clinton noch des Öfteren zurückkommen wird. (fh, 5.5.2016)