Ein Bild aus dem Maßnahmenvollzug im forensischen Zentrum Asten. In eine solche Anstalt musste auch ein behinderter Mensch aus Salzburg.

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Salzburg – Die Geschichte des 26-Jährigen war in den Lokalmedien nur eine kurze Notiz auf den Gerichtsseiten: "Patient verletzte in der Psychiatrie Pflegerin schwer", titelten die Salzburger Nachrichten am 11. März dieses Jahres. Darunter ein knapper Einspalter, in dem berichtet wird, dass der an "frühkindlichem Autismus leidende" junge Mann im Krankenhaus Schwarzach in der Psychiatrie eine Pflegehelferin attackiert habe und schwer verletzt habe.

Der Frau seien mehrere Rippen gebrochen worden. Der nichtschuldfähige Mann sei in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden.

Hinter der kurzen Zeitungsnotiz steht eine Tragödie – für den jungen Mann wie für das mit seiner Betreuung befasste Personal. Etwa 16 Monate lang wurde der intellektuell Beeinträchtigte in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses im Pongauer Schwarzach behandelt. Obwohl er dort medizinisch wie rechtlich nicht hingehört hatte.

Verantwortung der Politik

In zwei Verfahren hat das laut Unterbringungsgesetz zuständige Salzburger Landesgericht die Unterbringung des Behinderten in der Psychiatrie für unzulässig erklärt. Soziale und therapeutische Probleme behinderter Menschen seien nicht mit dem Instrument der zwangsweisen Unterbringung in psychiatrischen Anstalten zu begegnen, sondern dafür wären Maßnahmen der Pflege- und Heilpädagogik notwendig, heißt es im Gerichtsbeschluss.

Schon 2012 hatte das Gericht in anderen Fällen festgehalten "Die (politisch) Verantwortlichen" seien gefordert, "entsprechende Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen."

Kein Platz vorhanden

Und genau daran hakt es in Salzburg. Nach STANDARD-Recherchen war für den 26-Jährigen in Salzburg einfach kein Betreuungsplatz aufzutreiben, obwohl sowohl das Sozial- auch das Gesundheitsressort über die Dringlichkeit informiert waren.

Und dann kam, wovor Ärzte und Pflegepersonal gewarnt hatten. Für den autistischen Menschen wurde die Reizüberflutung auf der Station mit ständig wechselnder Belegung und mit vielen Krankenbesuchen zu viel. Es kam zum Impulsdurchbruch, er attackierte die Pflegerin und wurde nach der massiven Tätlichkeit letztlich per Gerichtsentscheid in eine forensische Psychiatrie weggesperrt, wo er medizinisch gesehen, auch nichts verloren hat.

Heime in Bayern

Die Leiterin der Patientenanwaltschaft für Salzburg und Tirol, Christine Müllner-Lacher, bestätigte auf Anfrage des STANDARD den Fall. Inzwischen sei auch die Volksanwaltschaft und deren Menschenrechtskommission mit der Sache befasst.

Für Müllner-Lacher ist die Tragödie des 26-Jährigen freilich nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisberges. Es gebe in Salzburg ein seit Jahren bekanntes "strukturelles Problem" bei der Versorgung von Menschen mit komplexem Hilfsbedarf, intellektueller Beeinträchtigung sowie mit komplex psychischer Erkrankung.

Jährlich würden im Schnitt mindestens fünf Plätze fehlen. In letzter Konsequenz "werden die Probleme nach Deutschland ausgelagert", sagt Müllner-Lacher. Die Betroffenen müssten in Heime ins benachbarte Bayern übersiedeln. Eine Praxis, die ihr in Tirol, für das Müllner-Lacher auch zuständig ist, nie untergekommen sei.

Keine Fortschritte

Die Unterbringung intellektuell beeinträchtigter Menschen ist nicht das einzige Defizit der Salzburger Behindertenpolitik. Obwohl die Probleme seit Jahren bekannt sind und Gerichtsbeschlüsse – beispielsweise wegen unzulässiger Freiheitsbeschränkungen – vorliegen, habe sich auch an der Situation im Eugendorfer Heim für Schwerstbehinderte, dem Konradinum, wenig geändert, sagt die Volksanwaltschaft. Landesgesundheitsreferent Christian Stöckl (ÖVP) will nun die Ausschreibung des Neubaus beschleunigen, hat er in einem ORF-Interview angekündigt. (Thomas Neuhold, 6.5.2016)