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2020 soll Saudi-Arabien nicht mehr von Öl abhängig sein, steht in der "Vision 2030" des Kronprinzen.

Foto: AP / Hasan Jamali

Riad/Wien – Der großen "Vision 2030" für Saudi-Arabien, verkündet von Kronprinz Mohammed bin Salman Ende April, folgten die schlechten Nachrichten auf dem Fuße. Die kriselnde Binladin Group, eine der größten Firmen Saudi-Arabiens – gegründet in den 1930ern vom Vater Osama Bin Ladens -, baut zehntausende Stellen ab, laut Al Jazeera 77.000, davon 12.000 von saudi-arabischen Staatsbürgern besetzt. Bisher hieß es, es seien Fremdarbeiter betroffen, denen nun das "Ausreisevisum" ausgestellt werde.

Die Schwierigkeiten der Binladin Group sind ein Symptom für die wirtschaftlichen Realitäten in Saudi-Arabien, auch wenn die Firma ihre eigene Problemgeschichte hat: Beim Sturz eines Binladin-Krans in der Großen Moschee in Mekka wurden im September 2015 107 Menschen getötet. Die Firma wurde daraufhin von staatlichen Aufträgen erst einmal ausgeschlossen. Das Unglück vor der ersten Hajj unter dem neuen König Salman wurde von manchen als schlechtes Omen gedeutet; am Höhepunkt der Wallfahrt wurden wenig später bei einer Massenpanik mehr als 2000 Menschen zu Tode getrampelt.

Andere wollten im Kranunfall eine Strafe Gottes für die Bauwut, die besonders Mekka und Medina betrifft, sehen: Aber dass diese nun schwindet, wird für viele Firmen zum Problem.

Der Staat muss sparen und schiebt Projekte auf. Der niedrige Ölpreis, gekoppelt mit erhöhten Ausgaben etwa durch das ins zweite Jahr gehende militärische Engagement Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg, hat zu einem Budgetloch geführt sowie zu einem Schrumpfen der saudischen Währungsreserven – und vor kurzem zum seltenen Fall, dass Saudi-Arabien bei einem Bankenkonsortium zehn Milliarden Dollar Kredit aufnahm.

Insofern war die Präsentation der "Vision 2030", der in Kürze eine Präzisierung folgen soll, ein Versuch, Optimismus und Kompetenz auszustrahlen. Der "Macher" ist Königssohn Vizekronprinz Mohammed bin Salman (MbS), dem nachgesagt wird, dass er gerne den Kronprinzen, seinen Cousin Mohammed bin Nayef, ausbooten würde. Der dreißig Jahre alte MbS wird wegen der neuen saudischen Risikopolitik, die auf sein Konto geht, auch von Teilen des Königshauses kritisiert. Aber nun präsentiert er sich als derjenige, der Saudi-Arabien fit für die Zukunft macht. Das stärkt ihn. Wenn es nicht schiefgeht.

Die wichtigste Botschaft ist, dass Saudi-Arabien innerhalb von vier Jahren praktisch unabhängig vom Erdöl, aus dem heute fast neun Zehntel der Einnahmen stammen, sein soll. Experten bezweifeln die Praktikabilität, denn dazu wäre eine komplette Umstrukturierung der Wirtschaft nötig. Wenn etwa zurzeit nur zwei Prozent der Rüstungsausgaben im Inland blieben, sollen es 2030 mehr als 50 Prozent sein.

Heilige Kuh Aramco

Auf dem Programm steht die Schaffung des größten Staatsfonds der Welt (zwei Billionen US-Dollar). Der Börsengang der staatlichen Ölgesellschaft Aramco soll Geld in die Kassen spülen. Diese Teilprivatisierung, auch wenn es einstweilen nur um bis zu fünf Prozent geht, hat etwas von der Schlachtung einer Heiligen Kuh. Der Vorwurf des Ausverkaufs wird nicht ausbleiben. Die Aramco soll zudem in ein Industriekonglomerat umgebaut werden.

Aber der größte Umbau wäre wohl jener am Arbeitsmarkt: Dazu muss man die Saudi-Araber von den staatlichen Versorgungsposten weg- und in die schlechter bezahlte Privatwirtschaft hineinbekommen, wo sie die dort arbeitenden Ausländer – heute neun Millionen – ersetzen sollen.

Ohne Verlierer wird das nicht gehen. Das mächtige religiöse Establishment dürfte ebenfalls aufhorchen, wenn MbS eine "dynamische" Gesellschaft fordert. Denn seine Pläne werden nur aufgehen, wenn sich Saudi-Arabien in vielerlei Beziehung öffnet. So sollen auch mehr Frauen arbeiten – wenngleich in moderatem Ausmaß. MbS wollte die Scheichs wohl nicht zu sehr verstören, die zuletzt auch hinnehmen mussten, dass der Staat die Rechte der Religionspolizei beschnitten hat. (Gudrun Harrer, 4.5.2016)