Brüssel/Wien – 250.000 Euro – diese Zahl schwirrt seit Dienstag in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten herum. So hoch soll nämlich laut "Financial Times" die Strafe für jene EU-Länder sein, die entgegen der im vergangenen Jahr beschlossenen Flüchtlingsquoten keine Schutzsuchenden aufnehmen wollen. Pro Flüchtling, wohlgemerkt.

Dem Bericht zufolge, der sich auf mit der Angelegenheit vertrauten Personen beruft, seien besagte 250.000 Euro pro Flüchtling eine willkürlich festgelegte Summe, die sich bis zur Präsentation des neuen Migrationszwischenberichts inklusive Reformvorschlägen durch die EU-Kommission am Mittwoch noch ändern kann. Die Idee dahinter sei laut einem Beamten aber auf jeden Fall, die Geldstrafe wie eine Sanktion erscheinen zu lassen.

Die EU-Kommission lehnte am Dienstag eine Stellungnahme zum Bericht ab. "Wir nehmen zu durchgesickerten Berichten nicht Stellung", erklärte ein Sprecher. Es gehe um Entscheidungen, nicht um Spekulationen.

Referendum in Ungarn

Zu den Flüchtlingsquotengegnern zählen vor allem osteuropäische Staaten wie Ungarn oder Polen. Sie laufen bereits jetzt gegen die im 2015 festgesetzte einmalige Flüchtlingsquote von 160.000 Menschen Sturm. Am Dienstag hat das ungarische Oberste Gericht grünes Licht für die Durchführung eines Referendums darüber gegeben. Damit will Premier Viktor Orbán den Bürgern folgende Frage stellen: "Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die verbindliche Ansiedlung von nichtungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?" Nun muss noch das Parlament darüber abstimmen, eine einfache Mehrheit würde reichen.

Bisher ist die Flüchtlingsquote eindeutig gescheitert: Seit dem Beschluss zur Umverteilung ist nur ein Prozent der Flüchtlinge von Griechenland und Italien in andere Staaten überführt worden. Polen müsste der kolportierten Zahl zufolge 1,55 Milliarden Euro zahlen, da es seine Quote von 6.200 Flüchtlingen nicht erfüllt hat.

Das Vorhaben ist der strittigste Punkt einer geplanten Reform des Dublin-Systems. Der neue Vorschlag der EU-Kommission sieht demnach zwei Optionen vor, um Flüchtlinge innerhalb der EU gerechter aufzuteilen. Sie basieren beide auf verpflichtenden Verteilungsschlüsseln. Zudem ist angedacht, die Abwicklung von Asylverfahren in die Hände der Europäischen Asylbehörde EASO zu legen.

Visafreiheit: Empfehlung unter Vorbehalt

Am Mittwoch will die EU-Kommission auch die im Flüchtlingspakt zugesagte Visafreiheit für die Türkei empfehlen – der STANDARD berichtete. Diese Entscheidung werde aber voraussichtlich unter Vorbehalt gestellt, da Ankara noch nicht alle Bedingungen erfüllt habe, hieß es am Dienstag aus EU-Kreisen. Demnach erfüllte die Türkei zuletzt 64 der 72 Voraussetzungen.

Die EU-Kommission begrüßte auf alle Fälle Fortschritte in den Verhandlungen mit Ankara. So habe die türkische Regierung per Verordnung bestimmt, dass EU-Bürger aus allen 28 Mitgliedstaaten fortan ohne Visum in die Türkei einreisen dürfen. Demnach war das bisher bei Reisenden aus elf EU-Ländern nicht der Fall.

Die EU hat von Ländern, denen Visafreiheit gewährt wird, zuletzt immer biometrische Pässe verlangt, etwa von Albanien und Serbien. Nur rund zehn Millionen der 78 Millionen Einwohner der Türkei haben überhaupt einen Reisepass, und die Herstellung biometrischer Pässe ist erst vor kurzem angelaufen. (red, APA, 3.5.2016)