Das Grazer Künstlerduo Zweintopf nimmt die Welt der Zeichen und der Grenzen auseinander und blickt dabei in Abgründe

Nach einem Moment der Stille erfüllt ein von Surren begleitetes schnelles Tokatoktokatok immer wieder den Raum. Wenig später schneit es weiße Papierschnipsel. Wie bei einer Siegesfeier, einer Party. Gespeist wird der Schredder, der auf dem Plafond montiert ist, allerdings von einem meterhoch aufgestapelten Papierband – mit den Verfassungstexten europäischer Staaten.

Die Arbeit constitution.constitution ist beispielhaft für die Kunst, die das Künstlerduo Zweintopf schafft. Seine Installationen, oft Interventionen im öffentlichen Raum, haben auf ersten Blick oft etwas fast Heiteres, mindestens Skurriles, dahinter verbirgt sich allerdings unmissverständliche Kritik an der Gesellschaft. Zweintopf sind die Grazer Eva und Gerhard Pichler – nicht verwandt, nicht verheiratet, aber ein Paar -, die seit rund zehn Jahren als Kollektiv werken.

Montiert aus den Buchstaben von "CONDITOREI-CAFE" (2016): Zweintopf findet neue Sprache in der alten.
zweintopf / Galerie Zimmermann Kratochwill

In jenem Raum, in dem in ihrer aktuellen Ausstellung ACAB asap in der Grazer Galerie Zimmermann Kratochwill der Schredder montiert ist, spielen auch weitere Arbeiten (alle von 2016) mit Sein und Schein, mit Oberflächen und Abgründen, mit Exklusion und Inklusion. Die Installation Endless Sea etwa zeigt das Sehnsuchtsbild des tiefblauen Meeres unter einem Glassturz. Darunter hat nicht viel Realität wie Flucht und Tod Platz. Diese Käseglocke sitzt auf einer Stele, die an eine lädierte griechische Säule erinnert.

Nichts zu behübschen

Die Bilder der Serie ghosts sehen aus wie abstrakte, unpolitische Kunst. Blaue, weiße, gelbe und rosa Streifen laufen über die Leinwand. Es sind aber keine Pinselstriche, sondern Stücke eines Elektrozaunbreitbandes. Zweintopf thematisiert hier auch die Rolle der Kunst. Sie kann sich nicht auf die Produktion dekorativer Versatzstücke, die das Leben behübschen sollen, beschränken.

Für die Installationen incomplete open cubes und momentmonument intervenierte Zweintopf im Wald und auf Wiesen mit Strohhalmen und biegsamen Stangen von Partyzelten. Die Fotodokumente dieser Arbeiten zeigen, wie sie – von Dachplanen und jeglichem Grund zu feiern befreit – wie grafische Fremdkörper in der Natur liegen.

Die Kuratorin der Schau, Margareth Otti, fasst es in einem Satz zusammen: "Die Party ist vorbei." Das gilt für den gesamten Planeten so deutlich wie noch nie. Doch was machen wir nach der Party? Kunst, nämlich die nicht bloß dekorative, auf jeden Fall weiterhin.

Aus alten Geschäftsnamen werden da etwa neue Worte montiert, die wie geheime Botschaften in die Welt leuchten. Zweintopf sind auch Anagrammbastler mit Tiefgang. Etwa wenn sie aus "Tabak Trafik" ein ganzes Gedicht bauen. Aus den abmontierten Buchstaben einer Citroën-Werkstatt wurde ein Turm aus vier roten Buchstaben gebaut: "Icon" steht da nun. Es ist offenbar Zeit, die Dinge auseinanderzunehmen – und Neues aus ihnen zu bauen und zu lesen. Gerade jetzt nach der Party. (Colette M. Schmidt, 6.5.2016)

Bis 25. 5. (7. 5., 11.00: Künstlergespräch)

Galerie Zimmermann Kratochwill

Opernring 7, 8010 Graz

zweintopf: COLUMBIA, 2016

zweintopf / Galerie Zimmermann Kratochwill

zweintopf: Schneiderei, 2016

zweintopf / Galerie Zimmermann Kratochwill

zweintopf: AAA, 2015 (Diaprojektion)

zweintopf / Galerie Zimmermann Kratochwill

zweintopf: AAA, 2015 (Diaprojektion)

zweintopf / Galerie Zimmermann Kratochwill

zweintopf: im Gehölz gefriert ein Strahl (1)

zweintopf / Galerie Zimmermann Kratochwill

zweintopf: momentmonument I, 2016

zweintopf / Galerie Zimmermann Kratochwill