Es ist auch eine Frage der Autorität. Und die hat Werner Faymann in seiner Partei längst nicht mehr. Das wurde besonders drastisch sichtbar, als Faymann am 1. Mai auf der Tribüne vor dem Wiener Rathaus von den eigenen Genossen ausgebuht wurde. Da half es auch nichts, dass die Parteiführung viele Genossen zu "Werner, der Kurs stimmt!"-Taferln vergattert hatte. Im Kontrast zu den zahlreichen Schildern, auf denen der Rücktritt des Parteivorsitzenden gefordert wurde, wirkten die "Werner, der Kurs stimmt!"-Taferln wie eine Persiflage.

Es ist der Weg in den Untergang. Seit dem Amtsantritt von Faymann im Jahr 2008 hat die SPÖ – mit Ausnahme von Kärnten – praktisch jede Wahl verloren. Die 11,3 Prozent für Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer markieren den vorläufigen Tiefpunkt.

Mit leeren Stehsätzen wie "Wir müssen die Sorgen der Leute wieder ernst nehmen" wird sich die Talfahrt nicht aufhalten lassen. Da scheint es nachvollziehbarer, dass es zur inhaltlichen Erneuerung auch eine personelle braucht. Faymann ist ein gewiefter Machttechniker, der seinen eigenen Verbleib als Kanzler und Parteichef über alles stellt. Das ist ihm bis jetzt wunderbar gelungen, aber auf diesem Weg scheint er jetzt in eine Sackgasse geraten zu sein.

Faymann hat seinen Kritikern nichts anzubieten. Das Festhalten an dem Parteitagstermin im November ist nicht nachvollziehbar. Sechs Monate unkontrollierte Debatten ohne eine Entscheidung über eine inhaltliche Ausrichtung wird die Partei nicht aushalten – Faymann schon gar nicht. Er müsste längst in die Offensive gehen und selbst die Personalfrage stellen – aber dazu fehlen ihm offenbar der Mut und auch die Autorität. Den Pflichtverteidigern, die er ausschickt, wird es selbst schon peinlich: Werner, der Kurs stimmt? Ein Witz.

Bei der Untergrabung von Faymanns Autorität hat auch der burgenländische Landeschef Hans Niessl im vergangenen Jahr den Spaten kräftig in die Erde gerammt, als er im Widerspruch zu einem Parteitagsbeschluss eine Koalition mit der FPÖ eingegangen ist. Die halbseidene Mitgliederbefragung, die Niessl im Burgenland durchführen ließ, empfiehlt er jetzt auf Bundesebene. Entlang dieser Frage droht es die SPÖ zu zerreißen.

Es ist ein grundlegendes Missverständnis, zu glauben, man nähme die Sorgen der Menschen ernst, wenn man die Positionen der FPÖ übernimmt. Wie man den politischen Gegner aufhalten kann, indem man ihn hofiert, ist noch nicht ganz schlüssig belegt. Das Argument, durch einen Ausschluss der FPÖ der ÖVP ausgeliefert zu sein, hat etwas für sich, hilft aber nur der FPÖ. Diese Frage drei Wochen vor der Stichwahl um den Bundespräsidenten in den Mittelpunkt zu rücken kommt einer indirekten Wahlempfehlung für den FPÖ-Kandidaten nahe – noch dazu, wenn sich die SPÖ gleichzeitig um eine Wahlempfehlung für Van der Bellen drückt.

Mit einer Annäherung an die FPÖ zum jetzigen Zeitpunkt mauert man dieser auch gleich den Treppenaufgang ins Kanzleramt. Die SPÖ bräuchte in dieser Situation einen Chef mit Selbstbewusstsein, einen, der Ideen hat, der Inhalte vorgeben und deren Umsetzung vorantreiben kann. Das ist Faymann ganz offensichtlich nicht. Erst muss sich die SPÖ wieder selbst aufrichten, dann kann sie ihr Verhältnis zur FPÖ diskutieren. Sich jetzt in die Unterwerfungspose zu begeben käme einer Selbstaufgabe gleich. (Michael Völker, 2.5.2016)