Kaum hat sich der Ölpreis etwas erholt, gibt es neue Schreckensszenarien für den Kreml: Experten glauben, dass der jüngste Preisanstieg zu einer scharfen Gegenreaktion führen wird, und erinnern an das Vorjahr. Laut Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg gibt es "Parallelen zum Jahr 2015".

Damals gab es ebenfalls ein Zwischenhoch im Frühjahr, ehe die Preise wieder abstürzten. Der Markt sei auch jetzt überhitzt. Nach Einschätzung von Analysten könnten sich die Preise wieder auf bis zu 30 Dollar je Fass (159 Liter) abschwächen.

"Gerechte Bewertung"

Höchste Zeit gegenzusteuern und die Abhängigkeit des russischen Urals-Öls von anderen auf dem Weltmarkt gehandelten Marken zu senken. In einem ersten Schritt will Moskau dazu Futures auf Urals-Öl anbieten. Gehandelt werden sollen die Terminkontrakte an der St. Petersburger Warenbörse. "Ziel ist die Schaffung eines Systems, in dem russisches Öl gerecht und offen bewertet und verkauft wird", sagte Börsenchef Alexej Rybnikow.

Laut dem Vorsitzenden des russischen Börsenverbands Anatoli Gawrilenko, könnte der Urals-Future noch heuer in den Handel kommen. Für einen Erfolg sei aber politischer Wille notwendig. "Natürlich wird das Interesse zunächst verhalten sein. Dafür, dass unser Future von sich reden macht und den Respekt der globalen Akteure erwirbt, müssen wir Konstanz beim Handel, Umsatz und Umfang gewährleisten – und natürlich Transparenz unseres Marktes", sagte Gawrilow.

Umstieg auf Rubel möglich

Die Futures laufen zunächst auf mindestens 720.000 Barrel pro Lieferung und sollen vorerst nur in Dollar gehandelt werden. Später ist ein Umstieg auf Rubel geplant. Kremlchef Wladimir Putin fordert seit Jahren eine stärkere Emanzipation des russischen Außenhandels vom Dollar.

Der direkte Handel mit Urals-Futures würde eine Diversifizierung des Exports ermöglichen. Bisher liefert Russland vorwiegend nach Europa. In Moskau sieht man potenzielle Klienten aber auch in Asien. Dort – speziell in China – ist die Bereitschaft, den Handel in nationalen Währungen abzuwickeln, größer.

Günstig für Verarbeitung

Zudem bietet der Handel weitere Vorteile. Bisher ist Urals-Öl direkt an den Preis für Öl der Marke Brent gekoppelt und wird derzeit mit einem Abschlag von 2,5 bis drei Dollar pro Barrel gehandelt. Urals habe sein Marktpotenzial aber noch nicht ausgeschöpft, für viele Ölverarbeiter sei es günstig wegen seiner Beschaffenheit, meinte Nikita Maslennikow, Leiter des Finanz- und Wirtschaftsressorts beim Moskauer "Institut für moderne Entwicklung". (André Ballin aus Moskau, 2.5.2016)