Drei 31.000 Jahre alte Schädel aus Tschechien. Zu Migrationen nach Mitteleuropa kam es vor 14.000 Jahren, wie DNA-Analysen zeigen.

Foto: Martin Frouz/Jiří Svoboda

Leipzig/Wien – Langsam lichtet sich das Dunkel der Besiedelung Europas. Seit einigen Jahren ist vor allem dank Untersuchungen von uralter DNA klar, dass moderne Menschen vor rund 45.000 Jahren nach Europa kamen, wo sie auf die Neandertaler trafen und sich auch mit diesen paarten. Und vermutlich trugen die modernen Menschen auch das Ihre dazu bei, dass die Neandertaler vor rund 30.000 Jahren ausstarben.

Wie aber überstanden die modernen Menschen in Europa die Kälteperiode, als große Teile des Kontinents unter einer Eisdecke lagen? Wie war die Bevölkerung damals zusammengesetzt? Und gab es auch damals schon Wanderungsbewegungen?

Umfangreiche DNA-Analysen

Da bisher nur sehr wenige genetische Daten von diesen ersten modernen Europäern vorlagen, konnte diese Frage nicht wirklich geklärt werden. Doch nun hat ein internationales Forschungsteam, dem die meisten führenden Köpfe der Paläogenetik wie Svante Pääbo (MPI in Leipzig), Johannes Krause (MPI in Jena) und David Reich (Harvard) angehören, gleich 51 Funde von Spanien bis Russland analysiert, die zwischen 45.000 und 7000 Jahre alt sind.

Auch die österreichischen Forscherinnen Maria Teschler-Nicola (NHM) und Christine Neugebauer-Maresch (ÖAW) waren an der Studie beteiligt. Untersucht wurde übrigens auch DNA aus Österreich, die den Knochen eines vor 31.000 Jahren am Kremser Wachtberg bestatteten Säuglings entnommen wurde, von dem man nun weiß, dass er ein Bub war.

Die Analysen brachten etliche Überraschungen. Zum ersten zeigte sich, dass die Genvarianten der ersten anatomisch modernen Menschen, die vor 45.000 Jahren in Europa gelebt haben, bei heutigen Menschen nicht mehr zu finden sind. Deren Ahnen tauchten erst vor etwa 37.000 Jahren hier auf, und bis vor rund 14.000 Jahren blieb diese Population genetisch auch relativ gleich. Die Forscher gehen davon aus, dass Mitteleuropa zur Zeit des Eismaximums vor 20.000 Jahren nur mehr ganz dünn besiedelt war und die meisten Menschen in Richtung Iberischer Halbinsel migrierten.

Genetische Nachteile

Das Einzige, was sich an den Genomen signifikant veränderte, ist der Rückgang des Anteils der Neandertaler-DNA von ursprünglich rund vier Prozent. "Das lässt darauf schließen, dass viele genetische Varianten, die in den Neandertalern vorkamen, für den prähistorischen modernen Menschen nachteilig waren", erklärt Koautor Svante Pääbo.

Vor 14.000 Jahren kam es dann aber zu einem dramatischen Wandel in der DNA der Europäer: Sie ähnelt von nun an stark der von Menschen aus dem Nahen Osten. Das könnte zwei Gründe haben: Entweder kam es zu einer bisher unbekannten Einwanderungswelle von Menschen aus dem Nahen Osten, die über die Balkanroute Mitteleuropa erreichten, 6000 Jahre früher als bisher gedacht. Es könnte aber auch sein, dass Menschen aus dem Südosten Europas zu dieser Zeit sowohl nach Mitteleuropa als auch in den Nahen Osten einwanderten. (tasch, 3.5.2016)