Als Donald Trump vor bald einem Jahr seine Kandidatur als Präsidentschaftsbewerber der Republikanischen Partei bekanntgab, wurde er von den meisten belächelt. Nachdem der New Yorker Baulöwe einen Vorwahlsieg nach dem anderen eingefahren hat, ist vielen das Lachen vergangen, und es wird versucht, Erklärungen für das Phänomen Trump zu finden.

Rund 50 Jahre vor dem fulminanten Aufstieg des Immobilienmoguls schaffte es ein anderer Außenseiter, das etablierte politische System der USA ins Wanken zu bringen. Die Wahlkampagne des Gouverneurs George Wallace aus Alabama, der sich zwischen 1964 und 1976 viermal um das höchste Amt bewarb, weist sogar unverkennbare Ähnlichkeiten mit dem Wahlkampf Trumps auf.

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Donald Trump und George Wallace bei Wahlkampfveranstaltungen 2016 beziehungsweise 1968. Familie und Weggefährten von Wallace meinen Parallelen zwischen seinen Auftritten damals und jenen Trumps heute zu sehen.
Foto: AP Photo/Preston Stroup; REUTERS/Kamil Krzaczynski

Gegen die politische Elite

Wie Trump heute schaffte es Wallace in den 1960er-Jahren, Menschenmengen mit Parolen gegen das politische Establishment für sich zu begeistern. Beide kreideten den Eliten an, sich von den gewöhnlichen Bürgern, den Durchschnittsamerikanern, entfremdet zu haben.

Das Fundament von Wallaces Wahlkampf fußte – ähnlich wie bei Trump – auf der Wut und Unzufriedenheit seiner Anhänger. Dem können auch Familie und Wegbegleiter von George Wallace etwas abgewinnen. Seine Tochter Peggy Wallace Kennedy bestätigt dem US-Radiosender NPR: "Beide erkannten, dass Angst und Hass die stärksten Anreize für Wähler sind, die sich von der Regierung im Stich gelassen fühlen."

Als vehementer Befürworter der Rassentrennung ging Wallace das erste Mal 1964 als Bewerber um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten ins Rennen und blieb mit der Aussage "Rassentrennung jetzt, Rassentrennung morgen, Rassentrennung für immer" bei seiner Amtseinführung als Gouverneur von Alabama 1963 in Erinnerung.

"Rassentrennung jetzt, Rassentrennung morgen, Rassentrennung für immer" proklamierte George Wallace bei seiner Amtseinführung als Gouverneur von Alabama 1963.

Feindbilder und Hassparolen

Wenngleich Trump kein Befürworter der Rassentrennung ist, spielt er mit denselben Ängsten wie Wallace in den 60ern. Während Wallace die Bürgerrechtsbewegung für die sozialen Probleme der Amerikaner verantwortlich machte, ist bei Trump illegale Einwanderung schuld an wirtschaftlichen Missständen und Zukunftssorgen. Rassismus und Rassentrennung bei Wallace "tauschte Trump durch Muslime, Mexikaner und ein Gefühl, von der Wirtschaft betrogen worden zu sein", meint Dan Carter, Autor von "The Politics of Rage: George Wallace, the Origins of the New Conservatism and the Transformation of American Politics", im Gespräch mit NPR im Hinblick auf Trumps Aussagen zu illegalen Einwandern aus Mexiko und einem Einreiseverbot für Muslime.

Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Anhängern Donald Trumps bei einer Wahlkampfveranstaltung in Cleveland im Bundesstaat Ohio.
Foto: AFP PHOTO / Brendan Smialowski

Trump versteht es wie Wallace in den 60er-Jahren, mit Hassparolen die Stimmung seiner Anhänger aufzuheizen und Wähler, die glauben, Amerika befinde sich auf dem Holzweg, für sich zu gewinnen. Das lässt sich auch an den Wahlkampfslogans der beiden Kandidaten festmachen. Was 1968 bei Wallace "Stand up for America" (Aufstehen für Amerika) war, ist bei Trump 2016 "Make America great again" (Amerika wieder großartig machen). Beide Kandidaten erklärten jedoch nicht, wie sie diesen Schlachtruf konkret umsetzen wollen. Zudem versuchte Wallace ähnlich wie Trump nicht, Dinge schönzureden, nahm sich kein Blatt vor den Mund und bediente sich der Sprache "des einfachen Mannes", so Carter. Zusammenstöße zwischen Anhängern und Demonstranten bei Wahlkampfveranstaltungen, hohe Umfragewerte, unerwartete Wahlsiege und ihr Umgang mit der Presse stellen weitere Gemeinsamkeiten dar.

Rachel Maddow versucht, in ihrer Sendung auf MSNBC Ähnlichkeiten zwischen George Wallace und Donald Trump aufzuzeigen.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Florida 1968, als er Kandidat der rechtsgerichteten American Independent Party war und bei der Präsidentenwahl 13,5 Prozent der Stimmen erhielt, behauptete Wallace, der Durchschnittsbürger habe mehr Intelligenz und Verstand in seinem kleinen Finger als ein Redakteur der "New York Times" in seinem ganzen Kopf. Auch Trump wird nicht müde, bei seinen Wahlkampfauftritten Journalisten als die "die unehrlichsten Menschen der Welt" zu bezeichnen und auf die "failing New York Times", die "Versager-New-York-Times", zu schimpfen. Trotz seines rüden Umgangs mit der Presse wird Trump – ähnlich wie Wallace – mehr mediale Aufmerksamkeit zuteil als den anderen Bewerbern.

Donald Trump schimpft bei einer Wahlkampfveranstaltung auf die "New York Times".

Unterschiedlicher Werdegang, ähnliche Wählerschaft

Wenngleich Trump und Wallace im historischen Vergleich eine ähnliche Wählerschaft für sich gewinnen konnten, haben die beiden Bewerber eine sehr unterschiedliche Biografie. Während Multimillionär Trump das Immobilienimperium seines Vaters in die Wiege gelegt bekam, wuchs Wallace als Sohn einer Bauernfamilie auf. Im Gegensatz zu Trump, für den die politische Bühne Neuland ist, trat Wallace – ein studierter Jurist – früh in den öffentlichen Dienst und das politische Leben ein und wurde bereits 1946 erstmals in das Repräsentantenhaus von Alabama gewählt. Ab 1964 bemühte er sich viermal in Folge um das Präsidentenamt. 1964, 1972 und 1976 kämpfte er um eine Nominierung der Demokraten, am erfolgreichsten war er aber bei der Wahl 1968, als er als unabhängiger Kandidat fünf Staaten, fast eine Million Stimmen und 46 Wahlmännerstimmen errang.

Die Bilder von Zusammenstößen bei Wahlkampfveranstaltungen George Wallaces in der Dokumentation "Wallace, Settin' the Woods On Fire" haben eine auffällige Ähnlichkeit mit Videos von Wahlkampfauftritten Donald Trumps.

Anders als George Wallace 1968 hat Donald Trump laut Historiker Carter jedoch breite Zustimmung innerhalb der Bevölkerung. Umfragen zufolge gewinnt er nicht nur bei Arbeitern, sondern erhält auch bei Mittelklasse, Akademikern und Reichen Zuspruch. Außerdem hat Trump anders als Wallace durch Internet, soziale Medien und Twitter mehr Möglichkeiten, mit Wählern in Kontakt zu treten, und weiß diese auch zu nutzen. Trotz ihres ungleichen Werdegangs meint Trumps langjähriger politischer Berater Charlie Snider in einem NPR-Interview, dass Trumps Wahlkampf eine Wiederholung der 60er-Jahre sei: "George hatte die Partei nicht hinter sich. Er hatte die großen Geldgeber nicht hinter sich. Aber er hatte die Leute hinter sich. Genau das passiert gerade mit Donald Trump." (Judith Moser, 3.5.2016)