Küchenreste gelangen im Garten zur Wiederverwertung.

Illustration: Dennis Eriksson

Die Gärtnerin lebt ganz gern am Puls der Zeit. Sie nippt an saurem Kaffee der dritten Welle, lässt sich Weinfehler als spezielle Note oranger Weine erklären und ernährt sich in erster Linie von Karpfen – das wäre unlängst wo empfohlen worden.

Und natürlich bäckt sie ihr Brot selbst. Zwar scheiterte sie noch am Anbau längst ausgestorbener Inka-Dinkelsorten, auch der Himalaja-Roggen will nicht wirklich gedeihen, aber selbst mit den käuflich erwerbbaren Mehlen familiär geführter Montessori-Biomühlen ist sie imstande, fantastische Brote zu backen.

Dazu hat sie stets zwei bis drei Sauerteige am Laufen, ein Lievito madre soundso, und gelegentlich zieht sie einen Sponge aus Mehl, Zeit und Wasser. Was in den 1990er-Jahren des letzten Jahrhunderts als Cocooning beschrieben wurde, ist nun ein manifestes Biedermeier geworden: Was geht, wird selbst angebaut, zubereitet, eingekocht und eingerext. Im Garten ist das nicht anders. Samen, Obst und Gemüse werden selbst geerntet, weitergereicht oder getauscht – der Handel wird umgangen, wo es nur geht.

Überflüssig

Worüber sich die Gärtnerin ganz besonders freut, ist der Tipp des Gartlers, was sie denn mit den Unmengen an überflüssigem Sauerteig und Abfällen der Lievito-madre-Genese anstellen soll. Denn wer Sauerteige führt und Lievito madre herstellt, muss täglich bis alle paar Tage ein paar Hundert Gramm dieser gärenden, fermentierenden Masse entsorgen. Und Essen haut man nicht weg, den Spruch haben alle einst zerebral eintätowiert bekommen. Was also tun damit?

Wie sooft ist die Lösung für die meisten Probleme dieser Welt der Kompost. Hatte sich die Gärtnerin vor ein paar Jahren noch an effektiven Mikroorganismen und Bokashi-Zuchtanlagen ausgetobt, so steht sie mittlerweile über diesen Sekten begründenden Gartentrends, die doch nur eines wollen: Fermentationsprozesse zur Kompostierung von Küchen- und Gartenabfällen nutzbar machen.

Aufgelöst

Diese Absicht ist hehr, aber es geht auch einfacher. Man nimmt einfache eine Handvoll reifen Sauerteigs und löst diesen in der Gießkanne mit dem scharfen Strahl eines Gartenschlauchs auf. Das schäumt schön und kann dann über dem Komposthaufen ausgeleert werden.

Im Sauerteig befinden sich genau jene Mikroorganismen, die bei Fermentationsprozessen entstehen und Kompostanlagen so richtig schön am Brodeln halten. Der pH-Wert von Sauerteig liegt, je nach Art, zwischen 3.3 und 4. Das ist schon anständig sauer, durch die Verdünnung mit Wasser jedoch ist der Einsatz im Garten unbedenklich.

Selbstgebackenes Brot ernährt also nicht nur die Gärtnerin, sondern auch ihren Garten. So soll es sein im aktuellen Biedermeier. (Gregor Fauma, RONDO,9.5.2016)