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Das Kesseltreiben gegen Werner Faymann war nach dem Fiasko bei der Bundespräsidentenwahl zu erwarten – fair ist es dennoch nicht. Faymann mag zwar als SPÖ-Vorsitzender Schwächen aufweisen, aber die Krise der Partei hat nur wenig mit seiner Person zu tun.

Das beweist ein Blick über den Tellerrand: Es gibt kaum eine sozialdemokratische Partei in Europa, der es besser geht als der SPÖ. Von Deutschland über Frankreich und Spanien bis Großbritannien: Überall ist die Linke tief gespalten und mit katastrophalen Umfragewerten konfrontiert.

In den meisten Staaten ist es die Wirtschaftspolitik, die tiefe Gräben in die Bewegung reißt – zwischen die moderaten Kräfte, die mit einem wirtschaftsfreundlichen Kurs Wachstum und Arbeitsplätze schaffen wollen, aber dabei soziale Härten verursachen und Kernwählerschichten verschrecken, und jene, die glauben, sie können auch in einer globalisierten Weltwirtschaft ihre Ziele durch Schulden, Umverteilung und massive Markteingriffe erreichen.

Aufspaltung in Spanien

In Spanien hat sich die Linke in mindestens zwei Parteien aufgespalten, die so verfeindet sind, dass sie nicht einmal eine Regierung bilden können und das Land in Neuwahlen zwingen. In Frankreich steht der Reformriege von Premier Manuel Valls und Wirtschaftsminister Emmanuel Macron eine massive Protestbewegung auf der Straße entgegen, die in der Vergangenheit immer siegreich war. In Griechenland regiert eine radikale Linke, die einen liberalen Reformkurs durchsetzen muss. In der britischen Labour Party hat sich die Linke unter Jeremy Corbyn durchgesetzt und führt die Partei in die Sektiererecke. Und in Deutschland versucht es SPD-Chef Sigmar Gabriel mit sprunghaftem Lavieren, was ihn von Wahl zu Wahl Stimmen kostet – auch an die rechtspopulistische AfD. Nur Italiens Premier Matteo Renzi ist trotz seines harten Reformkurses populär geblieben – vor allem dank des katastrophalen Erbes von Silvio Berlusconi.

In der SPÖ wird zwar weniger über Wirtschaftsfragen gestritten, dafür zerreißt das Flüchtlingsthema – und eng damit verknüpft der Umgang mit der FPÖ – die Partei. Faymann ist von beiden Seiten gleichermaßen unter Druck: Kein noch so beherzter Kurswechsel kann Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und den linken Flügel der Wiener SPÖ miteinander versöhnen. Die Parteispitze steht vor den Trümmern des einst unter Bruno Kreisky geschmiedeten Bündnisses zwischen Arbeitern und linksliberalen Bürgern, aus dem Europas erfolgreichste Volkspartei entstand.

Scheitern an der Realität

Die Hoffnung mancher Linker, man könne durch mehr Sozialausgaben die Verlierer der Zuwanderung für eine offene Asylpolitik gewinnen, scheitert an den Realitäten der Globalisierung und dem hohen Berg an Altschulden.

Auch Mitte-rechts-Parteien stehen unter Druck der Rechtspopulisten und werden von Wählern für fehlende Erfolge abgestraft. Aber es fällt ihnen leichter, ein kohärentes Programm zu präsentieren, das ihre Parteimitglieder nicht gegeneinander aufbringt.

Mit viel Charisma, rhetorischem Talent und diplomatischem Geschick lassen sich die Gräben in der SPÖ vielleicht kurzzeitig überbrücken. Faymann ist nicht dieser Mann, wie sein letztes TV-Interview sowie die Rede am 1. Mai gezeigt haben. Aber wer immer ihm einmal nachfolgt, wird vor den gleichen Problemen stehen. Denn das ideologische Fundament der Sozialdemokratie liegt überall in Trümmern. (Eric Frey, 1.5.2016)