Frankfurt/Wien – Schlaf ist nicht gleich Schlaf. Bei Säugetieren und Vögeln spiegelt er sich auch in der Gehirnaktivität und unterschiedlichen Schlafphasen wie dem sogenannten Delta- und REM-Schlaf wider. Die genaue Funktion dieser Schlafphasen ist bislang noch unklar. Bei Reptilien, Amphibien und Fischen konnten diese Schlafphasen bislang nicht beobachtet werden.

Doch nun haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt erstmals REM- und Deltaphasen in Reptiliengehirnen nachgewiesen. Sie konnten zeigen, dass auch die australische Bartagame Pogona Vitticeps REM- und Deltaschlafphasen besitzt. Die Ergebnisse im Fachblatt "Science" deuten darauf hin, dass es diese Schlafphasen mindestens seit der Evolution der ersten Landwirbeltiere gibt.

Verräterische Hirnströme

Die ersten landbewohnenden Wirbeltiere lebten vor etwa 320 Millionen Jahren und gehörten zur Gruppe der Amnioten. Ihre widerstandsfähigen Eier waren auch außerhalb des Wassers überlebensfähig und ermöglichten ihnen so das Leben und die Fortpflanzung an Land. Aus den Amnioten entwickelten sich die Säugetiere sowie Reptilien und Vögel. Bartagamen sind Echsen, die vor ungefähr 250 Millionen Jahren und damit deutlich vor Dinosauriern und Vögeln aus dem Stammbaum der Reptilien abzweigten. Eigenschaften, die sowohl bei Echsen als auch bei Vögeln und Säugetieren vorkommen, besaß daher vermutlich schon ihr gemeinsamer Vorfahr.

Die Forscher um Gilles Laurent beschäftigen sich mit dem Gehirn von Reptilien, auch, um die Funktionsweise des komplizierteren menschlichen Gehirns besser zu verstehen. Während ihrer Experimente haben sie beobachtet, dass die Gehirnaktivität von ruhenden Echsen zwischen zwei Aktivitätsstadien hin- und herwechselt. Um herausfinden, ob die Tiere tatsächlich REM- und Deltaschlafphasen besitzen, werteten sie die elektrischen Aktivitätsmuster der Echsengehirne aus und verglichen sie mit Verhaltensbeobachtungen, zum Beispiel Augenbewegungen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bartagamen tatsächlich REM- und Deltaschlafphasen aufweisen, die denen der Säugetiere in vielen Punkten ähneln: Die Hirnströme können in regelmäßigen Wellen mit niedriger Frequenz und hoher Amplitude verlaufen.

Die Nervenzellen können aber auch hin und wieder in starken Pulsen (Deltaphase) oder ähnlich wie im Wachzustand aktiv werden, dann begleitet von schnellen Augenbewegungen (REM-Schlaf). Eine weitere Gemeinsamkeit ist die koordinierte Aktivität der Großhirnrinde mit einer bestimmten Gehirnregion während der Tiefschlafphasen: In Bartagamen nennt man diese Region dorsaler ventrikulärer Kamm, in Säugetieren erfolgt diese Koordination im Hippocampus.

Schneller Rhythmus

Die Forscher entdeckten aber auch einige Unterschiede: Der Schlafrhythmus der Echsen ist zum Beispiel extrem regelmäßig und schnell: Bei einer Temperatur von 27 Grad Celsius dauert ein Schlafzyklus nur circa 80 Sekunden. Im Gegensatz dazu dauert er bei Katzen etwa 30 Minuten, bei Menschen ungefähr 60 bis 90 Minuten. Außerdem sind die REM- und Deltaschlafphasen der Echsen in etwa gleich lang, während die REM-Phasen der Säugetiere deutlich kürzer als die Deltaphasen sind. In Vögeln sind beide Abschnitte kurz und unregelmäßig.

Insgesamt scheint es, als ob das Schlafverhalten von Echsen etwas simpler als das von Vögeln, und Säugetieren ist. Die Forscher vermuten, dass es dem Schlafverhalten unseres gemeinsamen Vorfahren ähnelt. Aber deuten die Beobachtungen auf einen gemeinsamen Ursprung hin? Könnten sich die Schlafphasen nicht in Reptilien, Vögeln und Säugetieren unabhängig voneinander entwickelt haben? "Dass mehrere Tiergruppen unabhängig voneinander dieselbe Eigenschaft entwickeln, ist unwahrscheinlicher, als dass sie diese von einem gemeinsamen Vorfahren übernommen haben", so Laurent. "Wenn auch bei anderen Reptilien wie Schildkröten oder Krokodilen REM- und Deltaschlafphasen gefunden werden, wird das der endgültige Beleg für einen gemeinsamen Ursprung sein." (red, 2.5.2016)