Für den Fortbestand von Familienbetrieben oder deren Übernahme durch geeignete Nachfolger kann das Pflichtteilsrecht bedrohliche Liquiditätsprobleme auslösen.

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Wien – Im Vorfeld der Erbrechtsreform 2015 wurde heftig darüber gerungen, ob es für die Weitergabe von Betrieben Erleichterungen beim Pflichtteilsrecht geben soll. Als Vorbild hätte das Anerbenrecht dienen können, das Landwirtschaften durch begünstigte Übernahme durch einen Erben vor einer Zerschlagung bewahrt. Der Gesetzgeber hat sich letztendlich aber dazu entschlossen, die Nachfolge in Unternehmen nicht zu privilegieren.

Hinterlässt der Verstorbene auch Kinder, muss er ihnen – gegebenenfalls gemeinsam mit einem (Ehe)Partner – zumindest die Hälfte seines Vermögens vermachen oder den Anteil in Geld abfinden. Für den Fortbestand von Familienbetrieben oder deren Übernahme durch geeignete Nachfolger kann dies bedrohliche Liquiditätsprobleme auslösen.

Das neue Recht hat nur insofern eine Erleichterung gebracht, als es dem Erblasser im Allgemeinen die Stundung des Pflichtteils für einen Zeitraum von fünf Jahren erlaubt, der nach dem Tod vom Gericht in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf zehn Jahre verlängert werden kann. Für Privatstiftungen, die häufig als Unternehmensträger fungieren, wurden allerdings attraktive Gestaltungsmöglichkeiten dahingehend eingeführt, dass der Pflichtteilsberechtigte auch in Form einer Begünstigtenstellung abgefunden werden kann.

Leider lässt das Gesetz offen, mit welchem Wert sich ein Begünstigter die Zuwendungen, die er zu erwarten hat, anrechnen zu lassen hat, und ob diese auch in fünf Jahren zufließen müssen. Klar ist nur, dass nicht anstelle der Begünstigung der gesamte Pflichtteil sofort in Geld verlangt werden kann. Zuwendungen aus einer Begünstigtenstellung hängen oft vom Ermessen des Stiftungsvorstandes ab und sind häufig nicht klagbar. Ansprüche auf einen bestimmten Anteil am Gewinn oder Liquidationserlös des Stiftungsvermögens hat der Begünstigte in der Regel nicht.

Bewährte Konzepte der Unternehmensbewertung (Fachgutachten) werden hier nicht taugen. Die Juristen werden die Bewertung (die von der Einschätzung künftiger Zahlungsströme abhängt) auch nicht auf Sachverständige abschieben können, sondern diesen konkrete Vorgaben machen müssen, mit welchen Zuwendungen zu rechnen ist.

Jeder Einzelfall ist zu prüfen

Für die Bewertung wird man daher in jedem Einzelfall gesondert prüfen müssen, ob es nach dem Stiftungsplan und den Personen, die auf die Führung der Stiftung Einfluss nehmen können, sehr wahrscheinlich ist, dass der Begünstigte etwas erhält. Hierbei wird freilich ein sehr strenger Maßstab anzulegen sein, um ansonsten unausweichlich drohende Umgehungsversuche durch "kreative Lösungen" zu verhindern. Für die Ausgestaltung einer Begünstigtenstellung wird meines Erachtens auch die fünfjährige Stundungsfrist eine Grenze setzen, damit Zahlungen oder geldwerte Vorteile aus der Stiftung den Pflichtteil decken können.

Wer als Pflichtteilsberechtigter mit einer Begünstigtenstellung abgefunden wird, darf nicht schlechtergestellt werden als der Empfänger eines Geldlegats. Es würde den grundlegenden Regelungszielen der Erbrechtsreform widersprechen, wenn es möglich wäre, über den Umweg einer Privatstiftung ein Sondererbrecht für die Weitergabe von unternehmerischem Vermögen zu ersinnen. (Alexander Hofmann, 2.5.2016)