Der spektakuläre Kollaps eines Baukrans auf ein Nachbarhaus im Sommer 2014 in Wien-Josefstadt war zwar ein ungewöhnliches, aber nicht völlig untypisches Ereignis, urteilte das OLG Wien.

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Wien – In der Nacht auf den 12. Juli 2014 stürzte ein Turmdrehkran in Wien-Josefstadt, der für Sanierungsarbeiten an einem Zinshaus diente, auf das gegenüberliegende Haus und beschädigte es schwer. Der betroffene Hauseigentümer verlangte rund 400.000 Euro Schadenersatz. Die Versicherung des Bauunternehmers und der Eigentümer des Hauses, das im Rahmen eines "großen Bauherrenmodells" saniert wurde, verweigerten jedoch die Zahlung.

Der darauf folgenden Klage des Hauseigentümers wurde in erster Instanz stattgegeben und das Urteil vom Oberlandesgericht Wien bestätigt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, da aber keine ordentliche Revision am Obersten Gerichtshof zugelassen wurde, ist es wahrscheinlich, dass sie Rechtskraft erlangen wird.

Sie macht deutlich, dass ein Hausherr in einem solchen Fall haftet, gleichgültig, ob ihm ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Will er auf den Kosten nicht sitzen bleiben, muss er den Bauunternehmer klagen.

Der Sachverhalt des spektakulären Unfalls wies einige Eigentümlichkeiten auf. Der Kran war an der Ecke Josefstädter Straße und Blindengasse auf öffentlichem Grund aufgestellt, doch die Genehmigung für dessen Verwendung war zwei Monate zuvor abgelaufen; die Verlängerung wurde zwar kurz davor beantragt, war aber am Tag des Unglücks noch nicht in Kraft.

Unfallursache war der Bruch der Stahlbeton-Fundamentplatte des Baukrans. Ein Sachverständigengutachten machte dafür eindeutig Versäumnisse des Bauunternehmers verantwortlich, ein zweites, das von dessen Versicherung eingeholt wurde, behauptete hingegen, der Straßenuntergrund habe von sich aus nachgegeben, möglicherweise aufgrund einer nicht erkennbaren Auswaschung. Jedenfalls konnte die Verschuldensfrage vor Gericht nicht eindeutig geklärt werden.

Genehmigte Anlage

Das Oberlandesgericht Wien baute seine Entscheidung (7. 4. 2016, 11R18/16x) auf die analoge Anwendung von § 364a ABGB auf, der Schadenersatzansprüche für Schäden, die durch eine behördlich genehmigte Anlage auf dem Nachbargrundstück entstehen, behandelt. Durch die behördliche Genehmigung ist dem Geschädigten die Möglichkeit zu einer Abwehrhandlung genommen, weshalb ihm ein Ausgleichsanspruch unabhängig von der Verschuldensfrage zusteht.

In der Entscheidung wird klargestellt,

  • dass auch allein eine Baubewilligung als behördliche Anlagegenehmigung zu werten ist, selbst wenn die Letztere nicht vorliegt;
  • dass das Aufstellen eines Krans im dicht verbauten Gebiet eine besondere Gefahrensituation schafft und der Umsturz kein völlig untypisches Risiko darstellt, das sich – anders als etwa Vandalenakte Dritter – objektiv kalkulieren lässt;
  • dass es unerheblich ist, ob der Kran auf der Liegenschaft der beklagten Partei oder auf öffentlichem Grund steht;
  • und dass beide genannten möglichen Ursachen für den Bruch der Fundamentplatte keine untypischen Folgen des Betriebs eines Baukrans darstellen. Auch für solche Ereignisse müsse ein Bauherr und -unternehmer vorsorgen.

Für den Anwalt Georg Röhsner, Managing Partner bei Eversheds in Wien, der den klagenden Hauseigentümer vertritt, ist das Urteil richtungsweisend. "Damit ist klargestellt, dass der schuldlos geschädigte Nachbar nicht länger im Kreis geschickt werden kann, sondern seine Ansprüche an den Liegenschaftseigentümer, der die Bauarbeiten in Auftrag gegeben hat, richten kann", sagt er. "Die oft nur schwer mögliche Klärung von Ursache und Verschulden muss der Bauherr dann im Regress-Verfahren gegen seine Auftragnehmer versuchen."

Bauherren sind gut beraten, vor allem im städtischen Bereich mit ihrer Haftpflichtversicherung abzuklären, ob diese auch solche Schäden deckt, an denen sie selbst kein Verschulden tragen, betont Röhsner. Denn zahlen müssen sie auf jeden Fall. (Eric Frey, 2.5.2016)