Gunter Damisch erlag am Samstag seiner Krebserkrankung.

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Wien – Kunst, sagte Gunter Damisch einmal, habe etwas mit der Lust am Leben zu tun, mit dem "ins Leben hineinwachsen". Dieses Hineinwachsen ins Leben und die Lust an der Kunst drückte er vielfältig und multimedial aus: Malerei, Keramik, Aluminiumskulpturen, Bronzeplastiken, Zeichnung, Fotografie, Collage und Siebdruck. Seinen Arbeitsprozess beschrieb er mit "mehrheitlich uneigentlich. Versäumnis und Verdoppelung. Tarnung und Ausdruck." Und er präzisierte: "Es geht mir nicht darum, in einem Genre Spezialist zu werden, sondern mit unterschiedlichen Methoden Fragen zu stellen."

Wann immer seine Malerei als "literarisch" bezeichnet wurde, korrigierte er sanft: Nein, er wolle keine Geschichten erzählen. In der Tat bildete er nicht die Welt ab. Aber er war ein Weltenbildner, der mit seinen seriellen Farbknäueln und -anhäufungen, mit Wischungen und Auskratzungen, mit seinen schlierigen, stacheligen Geißeltierchen und Strichmännchen den Raum der zweidimensionalen Leinwand öffnete in die Unendlichkeit: In jenes unbekannte Universum, das zu erforschen der Kunst obliegt und das er Hyazinthsilber Weltflimmerzentrum nannte, oder Leuchtrotsilberwegnetz und Silber Weltlochfeld Liebeskummercollage. Und das er mit Seelenwesen namens Nächtliche Blasensteher, Flämmler des Flimmerns, Beobacher der Weltenfülle und Stehern dicht besiedelte. Er ließ sie gleichsam über seine Kunst-Felder schweben, ja, tanzen. Gleichberechtigt, ohne Zentrum, keine Mitte, bildfüllend.

Expeditionen

"Gunter Damisch scheint mit dem Kleinen zu beginnen, um zum Großen zu gelangen. Seine Welt ist eine, die sich ausdehnt, die insoferm großzügig ist, als jede Form, die er definiert, das Potenzial in sich trägt, zu einem größeren Ganzen zu werden", schrieb sein britischer Künstlerfreund Ian McKeever im Katalog zu Damischs Ausstellung Macro Micro in der Wiener Albertina.

Seine Werke, verfasst in der für ihn typischen Handschrift, seinem speziellen Formenvokabular und diesem ganz eigenen und eigentümlichen Farbklang, sind Notate seiner die Stacheldrähte und Grenzen der Wissenschaft wie der Kunst überschreitenden Expeditionen. Damisch war sich seiner Sache und vor allem seiner künstlerischen Sprache sicher. Doch sein früher, geradezu kometenhafter Erfolg hatte ihn nicht arrogant gemacht, sondern im Gegenteil aufmerksam, respektvoll und wertschätzend gegenüber dem Schaffen seiner Kollegen und seiner Studenten.

Inspiration für seine intensiven, vom Hell ins Dunkel gemalten Bilder holte sich der leidenschaftliche Sammler nicht nur aus der Kunst(-Geschichte). Er beschäftigte sich eingehend mit Philosophie, Wissenschaft, Musik und Literatur.

Geboren 1958 in Steyr, studierte er denn auch zunächst Medizin, Germanistik und Geschichte, ehe er auf der Salzburger Sommerakademie vom Kunstbazillus infiziert wurde. Er wechselte an die Akademie der Bildenden Künste, wo er die Meisterklassen Maximilian Melchers und Arnulf Rainers besuchte. 1992, nur neun Jahre nach Studienabschluss, wurde er selbst Gastprofessor für Grafik an der Akademie. Weitere sechs Jahre später avancierte er zum Ordentlichen Professor, der seine Studenten vor allem zu Eigenständigkeit und künstlerischem Mut ermunterte. Ihnen vor allem wird er als freundschaftliche, helfende und unterstützende Instanz bitter fehlen.

Neue Freiräume

Er selbst hatte seine erste Einzelausstellung 1982, noch als Akademieschüler, in der Galerie Ariadne. Der farbfreche junge Maler eroberte den Kunstmarkt zunächst unter dem Label "Neue Wilde". Doch in dieser Schublade fühlte sich der Vater eines erwachsenen Sohnes vor allem retrospektiv nur bedingt wohl: Schließlich trieb er, gemeinsam mit seinen Kollegen Herbert Brandl, Josef Danner, Gerwald Rockenschaub, Hubert Scheibl und Otto Zitko, die gegenständlich wilde Malerei weiter. Suchte neue, abstrakte Freiräume zwischen New Wave, Punk und klassischer Kunstgeschichte. Und gründete gemeinsam mit den post-wilden Kerlen die Künstler-Punk-Anarcho-Improvisationsband Molto Brutto.

Die Arbeit des Künstlers verglich der Pendler zwischen Wien und Freidegg immer wieder mit der des Gärtners. Hier, in seinem Atelier nahe Amstetten, einem ehemaligen Wirtschaftsgebäude eines verfallenen Renaissance-Schlosses, schuf er in den letzten Jahren seine filigranen, turmartigen und oft an seinen väterlichen Freund Bruno Gironcoli erinnernden dünnhäutigen Aluminiumskulpturen: Er verschweißte, was ihm die Natur bot, buchtete die mitunter grell bemalten Gerüste mit Gemüse und Früchten aus. Auch seine großformatigen Druckgrafiken konnte er hier verwirklichen.

Es gehe in der Kunst darum, sich absolut fallen zu lassen und damit dem Allerletzten näherzukommen: "Es ist nie das Nichts, das man erreicht. Aber man nähert sich dem Zustand der frei schwebenden, nicht mehr genau definierebaren Gedanken." Chaos und Ordnung, nicht als Gegensätzlichkeit, sondern als universelle Einheit: "Das in der Schwebe halten scheint mir einen existenziellen Umstand zu berücksichtigen, nämlich, dass wir als Menschen mit Sicherheit einzig die Finalität des Todes haben. Ansonsten ist unser Herkommen und Hingehen nicht mit Koordinaten zu beschreiben, sondern nur als Drama des Lebens."

Gunter Damisch erlag am Samstag seiner Krebserkrankung. (Andrea Schurian, 30.4.2016)