Ein Traum: Der Haydnsaal im Schloss Esterházy (oben) ist nicht nur ein renommierter Konzertsaal, sondern auch ein Unterpfand im Streit zwischen dem "geschäftsführenden Fürsten" Stefan Ottrubay und Kulturlandesrat Helmut Bieler.

Foto: Schloss Esterhazy / Wolfgang Voglhuber

Die Wirklichkeit: Eine Auseinandersetzung, deren Streitschriften zuweilen auch mit dem Schremmhammer in den Asphalt geschrieben werden.

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Der Protagonist: Stefan Ottrubay

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Der Antagonist: Helmut Bieler

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Auf den ersten Blick ist das Ganze reichlich verworren. Auf den zweiten reichlich verwordagelt. Der zweite Blick fällt nämlich, einem Fingerzeig folgend, auf jenes Wegstück beim barocken Eisenstädter Marstall, von dem die Asphaltdecke weggeschremmt und nicht wieder erneuert wurde.

Eine Tafel zeigt an, wer hier logiert: "Landesgalerie Burgenland. Projektraum." Und die ist, schrieb der fürstliche Schremmhammer – grantig wegen des nicht kündbaren Mietvertrages -, unerwünscht hier im Ambiente des Schlossquartiers.

Eine Führung in die Untiefen solch höheren Pannoniertums müsste hier, zwischen den am Ende des 18. Jahrhunderts vom Esterházy'schen Architekten Benedikt Henrici errichteten Stall- und Wachegebäuden beginnen.

Nicht dass es das Warum fürstlich-bürgerlicher Verwerfungen erklären könnte. Der Augenschein zeigt aber, auf welchem Niveau mittlerweile das Verhältnis zwischen dem Land Burgenland und seinem einstigen Fürstenhaus – immerhin die einzige auch international ernstzunehmende Dachmarke des Landes – angekommen ist. Längst steht man auf multiplem Klagsfuß. Man lässt einander auflaufen. Und wo es geht, wischt man einander was aus.

Nicht nur mit dem Schremmhammer. Unlängst etwa benötigte Esterházy gar eine einstweilige Verfügung, um – eh bezahlt als Inserat – mit eigenen Theaterproduktionen in den offiziellen Landesprospekt zu kommen. Dass über diesen Gerichtsbescheid Stillschweigen vereinbart wurde zwischen den Streithanseln, änderte nichts daran, dass die Angelegenheit im Handumdrehen die Runde machte und sich das halbe Land den Mund zerriss.

Achselzuckend. Niemanden wundert das mehr. Denn hat Esterházy das Land 2009 nicht böswillig aus dem Schloss geworfen, wie einst in den 1960er-Jahren der letzte "Fürst" Paul? Selbst die Haydntage – das weltweit renommierteste Event im Namen des Joseph Haydn – finden heuer zum letzten Mal im Haydnsaal statt, jener Spielstätte, deren Akustik der fürstliche Hofkompositeur im Ohr hatte und die deshalb unter Haydnpflegern als unverzichtbarer Aufführungsort gilt.

Scharfe Waffen

Hat aber das Land umgekehrt nicht nur als Mieter seit 1969 böswillig das Schloss verkommen lassen, sondern sogar Esterházygründe enteignet nach dem Eisenbahn-Enteignungsgesetz, um eine Umfahrungsstraße nördlich der Ortschaft Schützen zu bauen?

Deren wasserrechtliche Bewilligung ist unlängst vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden, was den Enteigneten – nicht nur, aber hauptsächlich Esterházy – eine scharfe Waffe in die Hand gibt. Die freilich insofern zweischneidig sein kann, als aktuell gerade die Neuregelung der umstrittenen Gatterjagden ansteht.

Und hat, hört man schon, Esterházy nicht nördlich von Schützen, hinter der – böswillig gerade dorthin gebauten – Umfahrung, den traditionsreichen Tiergarten? Ein ummauertes Revier, das sich in einer Landtagsdebatte durchaus hübsch darstellen ließe als "Gatter", darin es nicht sehr waidgerecht zugehe? Zumal – "Erinnert euch!" – Esterházy im Landtagswahlkampf 2015 ja eindeutig Partei für den jetzigen ÖVP-Chef Thomas Steiner, den Bürgermeister von Eisenstadt, ergriffen habe.

Natürlich begegnen das Land Burgenland und das ökonomisch in drei Stiftungen organisierte Haus Esterházy – das mit rund 300 Mitarbeitern einer der ganz großen Arbeitgeber ist im Burgenland – einander nicht wirklich böswillig, nicht im juristischen Sinn. Doch aber manchmal so wie zwei Kinder, die einander nichts gönnen wollen in der Sandkiste.

Auch da beginnt es ja meist harmlos – so wie hier vordergründig als Streit um Pacht und Pächterverpflichtung -, schaukelt sich hoch über die Missgunst bis zur Unverträglichkeit, deren Ventil dann das ständige Sticheln ist.

Irgendwann – da hält die pannonische Beziehungskiste momentan – reicht das dann bis ins Olfaktorische: Man kann einander nicht mehr riechen. Stefan Ottrubay heißt der Protagonist, Helmut Bieler der Antagonist. Esterházy-Chef versus Kultur-, Finanz- und Infrastruktur-Landesrat.

Kulturbruch

Die einen sagen, das Naserümpfen der beiden begann im Vorfeld des Haydnjahres 2009 anlässlich des 200. Todestages des großen Komponisten in fürstlichen Diensten. In diesem Jahr lief der 1969 auf 40 Jahre abgeschlossene Pachtvertrag über die Nutzung des Schlosses durchs Land aus, nur der für die Landesgalerie läuft noch.

Der Eigentümer konstatierte schwere Versäumnisse des Langzeitmieters, ja Verfehlungen und eine Schädigung der Bausubstanz. Das Land bestritt. Man traf sich wegen allfälliger Entschädigung vor Gericht. Bezirks- und Landesgericht haben das Esterházy'sche Klagsbegehr abgewiesen, der Oberste Gerichtshof verwies die Causa im Vorjahr retour an den Start.

Die anderen erzählen das anders. Demnach habe sich im Jahr 2001 ein wahrer Kulturbruch ereignet. Melinda Esterházy, geborene Ottrubay, Witwe und Alleinerbin des 1989 verstorbenen Paul Esterházy, holte aus der Schweiz ihren Neffen Stefan Ottrubay an die Spitze ihrer drei Privatstiftungen.

Die verwalten und bewirtschaften das auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzte Vermögen, darunter immerhin 44.000 Hektar Burgenland, zahlreiche Immobilien und die bedeutendsten Kunstdenkmäler der Landes von und in Burg Forchtenstein bis zum Eisenstädter Schloss.

Ottrubay, ein gelernter Bankier, stellte sich der Aufgabe mit eidgenössischer Akkuratesse und großer magyarischer Geste. Und nebenbei änderte er nicht nur die bis dahin geradezu ärarische Güterverwaltung, in der sich, sagt Ottrubay selber, so manche Pfründen haben etablieren können, sondern er definierte auch endgültig die Besitzverhältnisse neu, was innerfamiliär zu einigem klagsanhängigem Ungemach führte.

Einmischungen

Die aristokratische Primogenitur ersetzte er mit harter Business-Hand endgültig durchs großbürgerliche Stiftungsrecht. Stefan Ottrubay ist gewissermaßen der geschäftsführende Fürst, der ein Vermögen verwaltet, das sich qua Stiftungen selber gehört.

Das ist die – in Wahlkampfzeiten von SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl gerne in Streitabsicht thematisierte – bürgerliche Variante des einstigen Fideikommisses, das das fürstliche Vermögen zu bloß treuen Handen dem je ältesten Spross anvertraute, der die familiären Nutznießer an kurzer oder langer Leine hielt. In der von Ottrubay repräsentierten Welt ist diese Leine kurz bis sehr kurz.

Das führt auch zu manch ideologischer Verrenkung. Wer mit Stefan Ottrubay spricht, redet mit einem scharf kalkulierenden, wenn auch kulturell recht offentaschigen Bankier. Wer mit Helmut Bieler spricht, der redet mit einem, der immer noch leise Hoffnung setzt auf aristokratische Traditionen. Paul Anton, der Sohn des "regierenden Fürsten" Anton, sei ein intelligenter junger Mann. Mit dem ließe sich reden. Ottrubay, so klingt das, lasse sich quasi auch aussitzen.

Sowas stößt den aktuellen Esterházys sauer auf. Das Land mische sich ins Familiäre, ja stachle den Streit noch an. Dass etwa Christine Esterházy – Bühnenkünstlerin wie einst auch die 2014 verstorbene Melinda – 2006 ein Landes-Ehrenzeichen erhielt, empfand man als Affront. Als einen des damaligen Bürochefs von Hans Niessl, Martin Invancsics, aktuell der pannonische ORF-Stiftungsrat mit dem Ruf hoher kabalistischer Fingerfertigkeit.

Amtswegiger Holzweg

Umgekehrt hört man, Ottrubay mische sich massiv und höchst inkompetent ins kulturelle Tun in den zu ihm gehörenden Locations. Die Kooperation mit den Haydntagen, die Walter Reicher seit fast 30 Jahren zu diesem hochklassigen Konzertreigen entwickelt hat, scheiterte auch daran, erzählt Reicher, dass der Hausherr sich inhaltlich verwirklicht sehen wollte.

Gesprächsaufforderungen, so heißt es, lägen eh stets auf dem Tisch. Ottrubay klopfte, hört man, öfter schon beim Landeshauptmann an. Der Landesfürst verweise den Fürsten aber auf den Amtsweg. Der aber führt über Helmut Bieler, wo das Spiel, das Spielchen, wieder von vorn begänne.

Auf der sonnenliebkosten Terrasse des Restaurants Henrici, der Blick fällt aufs gegenüberliegende Schloss: "Was", fragt einer, "wäre Eisenstadt ohne das Schloss?" Seine Begleiterin erwidert: "Was aber das Schloss ohne Eisenstadt?" Gute Fragen. (Wolfgang Weisgram, 1.5.2016)