Das Bundesdenkmalamt (BDA) und den Kunsthandel verbindet hierzulande eine Art Hassliebe. Denn die Behörde kann mit ihren am Denkmalschutzgesetz orientierten Entscheidungen, die auf den Erhalt des kulturellen Erbes Österreichs abzielen, sowohl Werte schaffen als auch vernichten – je nachdem, ob etwas als schützenswertes Kulturgut eingestuft wird oder nicht, folglich die Ausfuhr verweigert oder genehmigt wird.

Mit dem Ausfuhrverbot ist automatisch eine Herabsetzung des Wertes verknüpft, da der Kreis der potenziellen Käufer auf den nationalen Markt beschränkt bleibt. Die Genehmigung gleicht wiederum einem lukrativen Upgrade. Der 2015 veröffentlichte BDA-Jahresbericht für 2014 nennt zwar nicht die Anzahl der Negativbescheide, listet aber 1234 Ausfuhrgenehmigungen. 686 davon entfielen auf den Kunsthandel als Antragsteller, 431 auf öffentliche Sammlungen (befristet, Leihverkehr) und 95 auf Private.

Auf den ersten Blick könnte man eine liberale Handhabung vermuten, wiewohl die Praxis auch anderes lehrt. Oftmals ist es eine Frage der Auslegung gesetzlicher Vorschriften und Begrifflichkeiten, dazu kommt ein Ermessensspielraum, der nicht immer nachvollziehbar scheint. Etwa wenn es um das Thema Ensembleschutz geht, an dem sich die Geister scheiden und der bisweilen Instanzen bemüht.

Erst im Jänner beendete der Verwaltungsgerichtshof ein 20 Jahre dauerndes Verfahren, bei dem es um einen Gemäldezyklus ging, der in einem denkmalgeschützten Schloss in Kärnten beheimatet war. Die Besitzerin hatte die Bilder 1995 verkauft – ohne Wissen des BDA, das später die Bezirkshauptmannschaft einschaltete, die jedoch gegen die Veräußerung nichts einzuwenden hatte. Die Causa landete vor Gericht. Das BDA bekam recht, demnach seien die Bilder Teil der barocken Ausgestaltung des Festsaals und als sogenanntes "Zubehör" im Denkmalschutz integriert. Dass die Bilder auf dem Unterschutzstellungsbescheid von 1939 gar nicht aufscheinen, war unerheblich.

Ermessensspielräume

Die Revision scheiterte. Ergebnis: Die Entfernung der Bilder sei rechtswidrig gewesen und "der ursprüngliche Zustand des Denkmals ist wiederherzustellen". Damit ist die Betroffene jetzt zum Rückkauf der Bilder verdonnert, die zurück in das Schloss müssen, das längst den Besitzer wechselte.

Das Urteil entspricht jenem, das der Obersten Gerichtshofes (OGH) 2012 in einer ganz ähnlichen Causa fällte, da eine Trennung von "Haupt-" (Gebäude) und "Nebensache" (Gemälde) "nicht zulässig und rechtswidrig" sei. Mit anderen Worten: Es handelt sich um eine "unbewegliche" Einheit, und Bilder werden durch die bloße Wegnahme nicht zu "beweglichem" Kulturgut.

So weit die rechtliche Auslegung, die – Stichwort Ermessensspielraum – in der Praxis unterschiedliche Anwendung findet. Im Oktober gelangte im Dorotheum ein dreiteiliges Altarbild von Pieter Coecke van Aelst zur Versteigerung, das einst die Kapelle des von Theophil Hansen erbauten Schloss Hernstein zierte. Hansen hatte für das Bild eigens einen 1868 gefertigten Altar entworfen. Wie berichtet (Standard, 20. 11. 2015) stammte das Werk aus dem Fundus der Erste Group, die vor Jahren auch Eigentümerin der Liegenschaft war.

Bereits 1999 hatte man versucht, Die Anbetung der Könige über Sotheby's zu verkaufen. Die Herkunft war verschwiegen worden, und bei der Besichtigung dürfte die BDA-Sachbearbeiterin jene Merkmale übersehen haben, die darüber Aufschluss gegeben hätten: das Wappen des Hauses Habsburg-Lothringen und das bekrönte Monogramm Erzherzog Leopolds von Österreich auf den Außenseiten der Flügel.

Die Ausfuhr wurde bewilligt, das Altarbild blieb jedoch in London unverkauft und kehrte nach Wien zurück. Dort erteilte das Dorotheum nun einem belgischen Telefonbieter bei 588.533 Euro den Zuschlag. Unter Vorbehalt, da das BDA zeitgleich aktiv wurde, nachdem die Hernstein-Provenienz bekannt worden war. Das Altarbild war im Unterschutzstellungsbescheid vom April 1943 explizit angeführt und gilt seither zweifelsfrei als Denkmal.

Amtsverschwiegenheit

Die Causa landete in der Rechtsabteilung der Behörde, die eifrig recherchierte. Auf Standard-Anfrage hieß es jüngst, das Verfahren sei abgeschlossen und "der Bescheid Anfang März ergangen". Ob die Ausfuhrgenehmigung erteilt wurde, wollte man "aus Gründen der Amtsverschwiegenheit" nicht bekanntgeben. Interessant insofern, als der Erhalt österreichischen Kulturguts im Interesse der Öffentlichkeit liegt, die man jedoch nicht informieren will. Man verwies an das Dorotheum, das sich wiederum "nicht für Behördenauskünfte zuständig" erklärte. Eine Gesprächsanfrage mit Martin Böhm, Chef des Dorotheums und auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft der Denkmalfreunde, verlief negativ.

Hernstein ist anders

Erste-Sprecher Michael Mauritz brachte schließlich Licht ins Dunkel. Ja, die Ausfuhrgenehmigung sei erteilt worden. Anders als bislang bekannt hatte die Erste Österreichische Sparkasse Schloss Hernstein nicht 1955, sondern bereits im Juni 1943 von Anton Habsburg erworben. Das Werk transportierte man 1946 nach Wien, womit es nicht mehr Bestandteil des Kaufvertrags mit der Wirtschaftskammer 1963 war.

Laut erwähntem OGH-Entscheid wäre das irrelevant, da "das Zubehör im Zweifel dem rechtlichen Schicksal der Hauptsache" folge, das Altarbild also eigentlich automatisch ins Eigentum der Wirtschaftskammer übergegangen wäre. Im Falle Hernsteins tat das jedoch aus zwei Gründen nichts zur Sache. Zum einen dürfte das BDA, wie sich herausstellte, 1946 über die Verlagerung informiert worden sein. Zum anderen wurde das Bild, wie Ulrike Emberger (Stv. Leiterin der Ausfuhrabteilung) bestätigt, jetzt als "bewegliches" Kulturgut deklariert und damit von der sogenannten "Hauptsache" getrennt.

Kurioses Detail am Rande: Der Denkmalschutz wurde nicht aufgehoben, sondern nur ruhend gestellt. Das Werk bleibt damit österreichisches Kulturgut, das nun eben in Belgien eine neue Heimat fand. (kron, Album, 29.4.2016)