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Warum Heinz-Christian Strache und die FPÖ so erfolgreich sind – hier bei der 1.-Mai-Feier in Linz

Foto: ReutersDOMINIC EBENBICHLER

Der Sieg Norbert Hofers im ersten Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl erzeugt einiges Rauschen im Blätterwald. Dass die Kommentatorinnen und Kommentatoren jetzt ihren Blick wie das Karnickel auf die Schlange auf diesen richten, trübt die Sicht auf den Fädenzieher dieser Marionette: Heinz-Christian Strache. Daher sei dieser wieder in den Blick genommen.

Der letzte Recke, der sich der Gefahr aus dem Osten entgegenstellt

Strache schwingt ein Kreuz nach dem Muster des Marco-d'Aviano-Denkmals vor der Kapuzinergruft. Er gibt die Losung aus: "Abendland in Christenhand". "Ha Zeh", wie seine Fans ihn nennen, präsentiert sich als letzter Recke, der sich den Gefahren aus dem Osten –der Ausländerflut, der Asylantenkriminalität, dem Islamistenterror – mutig entgegenstellt. Wo immer er auftritt, entfesselt er Begeisterung und hysterische Gefühlsausbrüche.

Woher kommt die Begeisterung?

Unter sich als fortschrittlich, liberal und weltoffen verstehenden Menschen lösen diese Auftritte Verwirrung, Bestürzung und Verständnislosigkeit aus, und sie suchen nach Erklärungen dafür. Diese weisen im Großen und Ganzen in zwei Richtungen: Die eine meint mit Blick auf die Disco-Jugend, die das blaue Idol umschwärmt, eine Bestätigung der Volksweisheit zu sehen, dass der Esel auf das Eis tanzen geht, wenn es ihm zu gut geht. Das heißt in diesem Fall, dass eine wohlstandsgesättigte Generation den Nervenkitzel des politischen Abenteurertums sucht.

Die andere Erklärung entspringt der moralischen Selbstgerechtigkeit und weist mit theatralischer Entrüstung darauf hin, dass der blaue Recke und seine Kumpane die latente faschistoide Grundeinstellung der Österreicherinnen und Österreicher aufrühren und salonfähig machen.

Zukunftsangst und Perspektivenlosigkeit

Weder das eine noch das andere trifft die Wirklichkeit. Die ist vielmehr bestimmt von Gefühlen der Zukunftsangst und der Perspektivlosigkeit. Die Menschen dröhnen ihren Lebensfrust dann eben in Discos, bei Fußballspielen und sonstigen Massenevents nieder. Und diese Wirklichkeit ist weiters bestimmt von einem zwar nicht unbegründeten, aber von verantwortungslosen Massenmedien immer wieder aufgeputschten Klima der Unsicherheit und Angst.

Heftige Wünsche nach Rache und Vergeltung

In einer derartigen Atmosphäre entwickeln sich zwei massenpsychologische Phänomene: Das eine ist das sogenannte kleinbürgerliche Ressentiment der tatsächlich oder vermeintlich zu kurz Gekommenen mit heftigen Wünschen nach Rache und Vergeltung gegenüber den Verursachern ihrer Lage, als da sind kriminelle Ausländer, unfähige Politiker, korrupte Abzocker, machtgeile Bürokraten, vornehmlich die in Brüssel, und so weiter. Das andere Phänomen wird mit dem Begriff "Goldene Fantasie" bezeichnet. Diese drückt sich aus in der Sehnsucht nach einer heilen Welt und in der Überzeugung, dass es jemanden geben muss, der den Weg dorthin kennt.

Der Held ist ein Heilsbringer

In dieser Situation schlägt die Stunde des "Helden". Der Held ist ein Erzeugnis der Psychologie der Rache. Er rächt sich für erlittene Verletzungen und Verwundungen. Ja, mehr noch, im Vollzug der Rache erweckt er den Anschein, diese Verletzungen und Verwundungen ungeschehen machen zu können. Der Held ist ein Heilsbringer.

Hierin trifft er sich mit den Ressentiments und Wunschfantasien der Menschen. Mit seinem großsprecherischen Auftreten macht sich der "Held", eben Heinz-Christian Strache, zur Identifikationsfigur der Unzufriedenen, der an den Rand der Gesellschaft Gedrängten, der "kleinen Leute", deren Lebensumstände es ihnen nicht erlauben, selbst großsprecherisch zu sein. Er spricht das aus, was sie selbst nicht zu sagen wagen, und deswegen fliegen ihm die Herzen zu.

"Held" Strache

Die "kleinen Leute" erkennen in ihrem "Helden" Strache einen der ihren. Der "heldische" Politiker hat in der Regel eine von Traditionsverhaftetheit, Männlichkeitsidealen und Härte geprägte Erziehung durchlaufen, die es ihm als Heranwachsendem unmöglich machte, zu einer eigenständigen Persönlichkeit zu reifen. In der nie aufgelösten Spannung zwischen Autoritätshörigkeit und Rebellion entwickelt sich ein hysterisches Persönlichkeitsbild: Der "heldische" Politiker weicht der wirklichen Welt aus und schafft sich eine Scheinwelt mit Scheinbedrohungen. Diese kommen dann in Gestalt von Sozialschmarotzern, von Verschwörungen der "Ostküste", von Asylanten und besonders von unter dem Generalverdacht des Terrorismus stehenden Muslimen daher.

Gegen diese Scheinwelt wendet der "heldische" Politiker sein rebellisches Freiheitsstreben, das er in der "großen Szene" von Bierzelten, Massenkundgebungen, Parteitagen und Ähnlichem wirksam zur Schau stellt. Dort präsentiert er sich vor einem gläubig-hingebungsvollen Publikum als Kämpfer gegen das Böse und als Rächer der Enterbten. Dabei ist der "heldische" Politiker jedoch nicht nur Schauspieler. In seiner narzisstischen Verblendung hält er seine Scheinwelt für die Wirklichkeit. Und darin liegt seine Gefährlichkeit.

Der strahlende Held muss siegen

Helden leben gefährlich. Die einmal angenommene Rolle des strahlenden Helden zwingt den Politiker in eine unausweichliche Dynamik. Der strahlende Held muss siegen und siegen und siegen. Denn eine Niederlage nähme ihm seinen Nimbus und machte ihn zu dem, was er ist – zu einem Menschen, der hoch gepokert und verloren hat. Hat er Glück, kann er die in der Politik unausweichliche Niederlage noch zum tragischen Scheitern hochstilisieren und die Szene mit Anstand verlassen. Sollte er gleichsam unter Blitz und Donner gen Himmel fahren wie Straches geistiger Ziehvater Jörg Haider, ist ihm sogar "unsterblicher Ruhm" mit Gedenkstätten und Museen und Weiterleben in Sagen und Legenden gewiss. Hat er Pech, drohen ihm die Lächerlichkeit und ein Abgang unter Spott und Hohn.

Widersacher sind die Verkörperung des Bösen

Gerade darin liegt die Gefährlichkeit des narzissmusgesteuerten strahlenden Helden. Er kann eine Niederlage nicht als Folge eigener Fehler oder der Überlegenheit der politischen Gegner hinnehmen, sondern er muss sie vor sich selbst und seinen Anhängern als Ergebnis der Machenschaften schurkischer und ehrloser Feinde nicht nur seiner selbst, sondern auch der Gemeinschaft darstellen. Er macht damit seine Widersacher zu Verkörperungen des Bösen, die ausgemerzt werden müssen. In letzter Konsequenz muss der "heldische" Politiker den Weg zur Diktatur beschreiten, um vor seinen Mitläufern den Nimbus seiner Unbesiegbarkeit zu wahren.

Sollte Norbert Hofer am 22. Mai Bundespräsident werden, wird sein Fädenzieher wohl diesen Weg nehmen. Wollen ihm die Österreicherinnen und Österreicher wirklich auf diesem folgen? (Anton Szanya, 3.5.2016)