Drahtskulpturen Constantin Lusers treffen im Bunker auf rustikale Do-it-yourself-Architektur von Fattinger Orso: "Im Raum mit".

Foto: Dominik Gigler

Das Haus der Kunst, die Ruinen der Ehrentempel: Was die NS-Herrschaft in ihrer "Hauptstadt der Bewegung" München an signifikanter Architektur hinterließ, gruppiert sich im Stadtzentrum. Unauffälliger, aber weit zahlreicher sind die rund 40 Hochbunker, die während des Zweiten Weltkriegs strategisch im Stadtgebiet verteilt wurden, manche pseudogermanisch als mittelalterliche Wehrtürme verkleidet, andere als fensterlose Betonkuben.

Nach dem Krieg verschwanden sie aus dem Bewusstsein der Stadt. Einige wurden zu Wohngebäuden – so auch das sechsgeschoßige LS-Sonderbauwerk Nr. 5 in Schwabing Nord. 2010 wurde die düstere Immobilie vom findigen Junginvestor Stefan Höglmaier erworben, der sich auf architektonische Wertigkeit mit Namen wie David Chipperfield und David Adjaye spezialisiert hat. In Abstimmung mit dem Denkmalschutz sägte man große Fensternischen in die zwei Meter dicken Betonwände, erleichterte den Bunker um 2000 Tonnen Material. Während in den oberen Geschoßen Apartments entstanden, wurde im Erdgeschoß der Kunstraum BNKR eingerichtet.

Fein gerahmter alter Beton

Dem Architekturbüro Raumstation gelang beim Bunkerumbau der Balanceakt, weder vor lauter Luxus in Geschichtsvergessenheit abzugleiten noch vor der Geschichte zu erstarren. Die zurückhaltende Edelrenovierung, die den Wohninterieurs angemessen ist, gerät für die Kunst fast schon zu zahm: Zwar lugt hier und da noch, fein gerahmt, der alte Beton durch, doch die Neutralisierung zum White Cube dimmt die künstlerische Konfrontation mit dem grimmigen Erbe dezent herunter.

Genau diese Auseinandersetzung ist das Ziel der vom Wiener Kunstbüro sektion.a mitkuratierten Reihe Im Raum mit: Fünf Künstler treten nacheinander an, am Ende werden sich ihre Werke addiert haben. Den ersten Schritt machten die Wiener Architekten Fattinger Orso, die sich an der Schnittstelle von Kunst und Architektur bestens auskennen – ihr "Gelbes Haus am Bellevue" in der Kulturhauptstadt Linz ist gut in Erinnerung.

Spielerische Gegenmittel zur Ewigkeit

In München ist ihr Eingriff trotz seiner Materialschwere auf den ersten Blick leicht zu übersehen: Veronika Orso und Peter Fattinger legten die Ausstellungsräume mit 850 Holzbrettern aus – einem "doppelten Boden" – und geben Besuchern die Anweisung, diese bauklötzchengleich neu zu arrangieren: ein spielerisches Gegenmittel zur verordneten Ewigkeit der NS-Architektur und eine Bühne für die folgenden Künstler.

Nach der Videoinstallation Passageway von Julia Willms wurde letzte Woche die zweite Intervention eröffnet. Der Wiener Künstler Constantin Luser löst sich mit seinen Raumzeichnungen unbeschwert von Betonwand und Holzboden los: einerseits mit direkt auf die weiße Wand gezeichneten assoziativen Skizzen, deren parallele Strichführung den Blick in vergnüglich irritierende Unschärfen hineinzieht; andererseits mit frei hängenden Skulpturen aus strichdünnem Draht, die als mehrdeutige Mobiles ständig in die Bildhaftigkeit hinein- und wieder herausspringen: eine verspielte Zartheit, und ein federleichtes Gegengewicht zur tonnenschweren Tausendjährigkeit des NS-Bunkers.

Die nächsten Folgen von Im Raum mit werden die Objekthaftigkeit ganz aufgeben: Im Juni folgt ein Gespräch mit dem österreichischen Multimediakünstler Peter Kogler, bevor der dänische Performance-Jungstar Christian Falsnaes im Juli den Schlusspunkt setzt. (Maik Novotny aus München, 28.4.2016)