Wien – "Wirklich Neuigkeiten" habe Markus Hinterhäuser bei seiner letzten Pressekonferenz für die Wiener Festwochen "nicht zu vermelden". Das alljährliche Screening des Festivalfilms nahm der nach Salzburg wechselnde Intendant am Donnerstag vielmehr zum Anlass, die "Vitalität und Energie" der anstehenden Ausgabe zu feiern – und auf die "zwei wirklichen Schwierigkeiten" seiner Intendanz zurückzublicken.

Die erste Schwierigkeit sei der vorzeitige Abgang von Schauspielchefin Frie Leysen 2014 gewesen, die zweite der kurzfristige Ersatz von "Fidelio"-Regisseur Dmitri Tcherniakov durch Achim Freyer wegen Zeitverzugs vor wenigen Wochen. "Es gibt Momente im Leben eines Intendanten, wo man die Stopptaste drücken, die Notbremse aktivieren muss", so Hinterhäuser beim Pressetermin im Festwochen-Zentrum im Künstlerhaus. "Sie hat mich nicht glücklich und nicht stolz gemacht, diese Absage. Aber wir haben überproportional viel Geduld aufgebracht, um dann zu merken: So geht es nicht weiter."

Freyers spontaner Einsatz sei ein "Wunder"

Dass der 82-jährige Freyer sich spontan bereit erklärte, die mit 14. Juni angesetzte Beethoven-Premiere im Theater an der Wien zu inszenieren, sei ein "Wunder" und "ein starkes Bekenntnis von Achim Freyer zu den Festwochen", so Hinterhäuser. Freyers Version werde "ein ganz anderer Fidelio sein", aber: "Es ist eine sehr originelle Lesart, wie wir sie so noch nicht gesehen haben."

Die Produktion ist neben Mieczyslaw Weinbergs "Die Passagierin" zentrale Oper im diesjährigen Musikprogramm, wobei beide – wie auch die Konzertreihe "Wehe den eiskalten Ungeheuern" im Konzerthaus – die Freiheit behandeln. "Wir leben in einer Zeit, die nicht frei ist von tatsächlichen Bedrohungen", sagte Hinterhäuser, "und es wird mir niemand widersprechen, wenn ich sage, dass wir es mit eiskalten Ungeheuern zu tun haben, wohin wir auch blicken."

"Einzigartige Festivalarbeit" in Wien

Rückblickend auf die vergangenen drei Jahre, die "sehr schnell vergangen" seien, hob Hinterhäuser dann auch Höhepunkte vergangener Musikprogramme hervor, etwa William Kentridges "Winterreise" oder Michael Hanekes "Cosi fan tutte". Sie stünden für die "einzigartige Festivalarbeit" in Wien und stellten Bereicherungen dar, die er "im Rahmen der Möglichkeiten in die Salzburger Festspiele einfließen lassen" wolle. Auch bei der Überwindung genannter Schwierigkeiten spreche es für das Festival, "dass wir etwas gemacht haben, das sich im Rückspiegel betrachtet als richtig erwiesen hat". So habe der jährliche Wechsel der Schauspielkuratoren eine "Erweiterung des Blicks gebracht".

Die diesjährige Schauspielchefin Marina Davydova betonte sogleich schmunzelnd, dass sämtliche Produktionen im Schauspielprogramm auch tatsächlich "von jenen Regisseuren inszeniert werden, die im Programmheft angegeben sind". Der Einblick in die Probenarbeit von Künstlern in u.a. Ungarn, Kroatien und Wien im Festivaltrailer habe eine nie offen ausgesprochene Gemeinsamkeit der Themen bei den Eigenproduktionen aufgezeigt. "Sie alle verhandeln die Zukunft und wie wir unsere Leben anders und besser gestalten können", so Davydova, die den Regisseuren eine "gute Intuition" bescheinigte, was ihre eigene Vorstellung anbelangt. "Und ich hatte wohl auch eine gute Intuition, weil ich sie ausgewählt habe."

Hochaktuelle Produktionen

Würde sie ihr Programm jetzt gestalten, sehe es freilich "ein wenig anders aus", meinte Davydova. Beim Fixieren des Programms im Oktober 2015 seien Entwicklungen wie die Terroranschläge in Paris und Brüssel, die Zuspitzung der Flüchtlingskrise und der Konflikt zwischen Russland und der Türkei nicht vorhersehbar gewesen. Dennoch seien die Produktionen hochaktuell, etwa das Stück "Oameni obisnuiti" ("Gewöhnliche Menschen") der rumänischen Regisseurin Gianina Carbunariu über Whistleblower im Hinblick auf die aktuellen Enthüllungen durch die "Panama Papers". Oder die Arbeit "Latszatelet" ("Scheinleben") des ungarischen Proton Theatre, in dem es "um Identität, um eine neue Perspektive auf uns und unsere Welt" gehe.

Die Gegenwart hat auch andere Programmbereiche eingeholt: Kants Begriff der "universellen Gastfreundschaft", der der Reihe "Into the City" zugrunde liegt, habe sich etwa mit der gestern beschlossenen Asylgesetzverschärfung "aktualisiert", meinte Kurator Wolfgang Schlag. Und die bei Debatten im Burgtheater verhandelten Themen Meinungsfreiheit sowie Rechtsruck in Europa hätten nicht zuletzt durch die Böhmermann-Affäre und den Sieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer beim ersten Durchgang der Bundespräsidentschaftswahl an Brisanz gewonnen, so die Kuratorin von "Thinking Aloud/Allowed", Dessy Gavrilova.

Hofers Ankündigung in der ORF-Elefantenrunde, ein aktiver Bundespräsident sein zu wollen ("Sie werden sich wundern, was alles gehen wird"), wandelte Hinterhäuser dann auch zu seinem einzigen, auf Nachfrage gegebenen Kommentar zum Wahlergebnis ab: "Ich möchte mich nicht wundern müssen."

Eröffnung mit Alma, Federspiel, Superar

Am 13. Mai werden die Wiener Festwochen mit moderner Blas- und Volksmusik von u.a. Alma, Federspiel und Superar am Wiener Rathausplatz eröffnet – auf einer "für uns zugeschnittenen Bühne", wie Geschäftsführer Wolfgang Wais betonte, sei diese doch in der Vergangenheit wegen des nachfolgenden (heuer jedoch pausierenden, Anm.) Life Balls eher "größenwahnsinnig" ausgefallen.

Am Samstag (30. April) öffnen die Tageskassen, an denen noch für alle Vorstellungen Kontingente in den Verkauf kommen. Mit bisher 60 bis 65 Prozent verkauften Karten liege man im Schnitt der Vorjahre. (APA, 28.4.2016)