Wien – Öffentliches Dealen soll gebremst werden. Dafür hat der Nationalrat Donnerstagmittag mit Koalitionsmehrheit einen eigenen Straftatbestand zum Drogenhandel im öffentlichen Raum verabschiedet, der bis zu zwei Jahre Haft vorsieht. Von der Opposition gab es Kritik an der im Schnellverfahren durchgezogenen Gesetzesnovelle.

Eine vorangegangene Novelle hatte zu Jahresbeginn das Vorgehen der Exekutive gegen Drogenhandel im öffentlichen Raum erschwert. Das wurde insbesondere in Wien, vor allem entlang des Gürtels und der U6, deutlich, der Drogenhandel stieg enorm. Nun soll mit Anfang Juni das Suchtmittelgesetz "repariert" sein und die Problematik deutlich entschärfen – mit der erneuten Gesetzesänderung, die den Drogenhandel im öffentlichen Raum zum eigenen Tatbestand macht.

Die Menschen hätten das Gefühl bekommen, dass die Polizei der Situation nicht mehr Herr werde, sagte Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP). "Ein spezielles Phänomen braucht spezielle Maßnahmen."

FPÖ will zur alten Gesetzeslage zurück

Über die Hintergründe des Dealeranstiegs gibt es freilich unterschiedliche Meinungen. FPÖ und Team Stronach sehen eine Änderung des Strafrechts, mit der Gewerbsmäßigkeit enger gefasst wurde, als Ursache. Sowohl FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan als auch Stronach-Mandatar Christoph Hagen forderten daher, einfach wieder zur alten Gesetzeslage zurückzukehren, statt eine kaum vollziehbare Gesetzesänderung vorzunehmen.

Hagen befürchtet nun, dass sich durch die Novelle der Drogenhandel vom öffentlichen Raum in den Gemeindebau verlagern werde. Stefan kritisierte zu unbestimmte Formulierungen. Der Gesetzestext "öffentlich oder unter Umständen, unter denen das Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen" lasse in Bezug auf den Drogenhandel zu viel Interpretationsspielraum offen.

Grüne ebenfalls unzufrieden mit Gesetz

Ebenfalls unzufrieden ist der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser, der auch gar keinen Zusammenhang mit der Änderung der Gewerbsmäßigkeit sieht, sondern etwa mit einer Verlagerung der Drogenszene. Er glaubt auch nicht, dass man mit einer Strafrechtsmaßnahme hier viel bewirken kann. Neos-Mandatar Nikolaus Scherak erklärte, dass man auch mit den schon bestehenden rechtlichen Möglichkeiten die Dealer entsprechend verfolgen könnte.

Schon vor Beschluss des Gesetzes habe dieses Wirkung entfaltet, lobte hingegen ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl. Die Drogenszene gehe bereits zurück. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim verteidigte gegen die FPÖ die Lockerung bei der Gewerbsmäßigkeit, nun werde eben nicht mehr jeder "Hendldieb" in U-Haft gesteckt. Da jetzt aber eben ein Problem im Drogenbereich entstanden sei, werde dieses über das Suchtmittelgesetz angegangen.

Kleinstkriminalität ist in Österreich gestiegen

"Im Bereich der Kleinstkriminalität zeigen die Trends relativ deutlich nach oben", sagte Franz Lang, Direktor des Bundeskriminalamts, am Donnerstag. Genaue Zahlen veröffentlicht das Bundeskriminalamt aber nicht. "Diese geben wir einmal im Jahr nach umfangreichen Qualitätsprüfungen heraus", erklärte Lang. Jedoch werden Lagebilder erstellt. Im Steigen begriffen sind laut Lang Delikte wie Raufereien und Körperverletzungen, kleine Messerstechereien, Diebstähle auf Bahnhöfen und an öffentlichen Orten sowie auch der Konsum und die Weitergabe von Kleinstmengen an Drogen.

Anstieg seit Februar

Asylwerber finden sich laut dem BK-Direktor insbesondere bei diesen Delikten sowohl als "Akteure als auch als Opfer" deutlich wieder. Besonders merkbar sei der Anstieg seit Februar. Bei schwerwiegenden Delikten, die sich auch in den Medien groß niederschlagen, wie etwa die Gruppenvergewaltigung am Wiener Praterstern oder schwere Körperverletzungen, sei derzeit der Trend nach oben nicht erkennbar, sagte Lang.

Auf der Täterseite seien es vor allem Personen mit wenig Perspektive in Österreich bleiben zu dürfen. Es brauche hier auch strategische Antworten, so Lang. "Es muss für die Betroffenen möglichst rasch Klarheit hergestellt werden: Habe ich in Österreich eine Perspektive oder nicht?", forderte der Direktor. Asylwerbern, die keine Chance auf ein Bleiberecht haben, müsse das auch "möglichst klar mitgeteilt werden". Auch müsse in diesem Bereich "mit Rückkehrprogrammen gearbeitet werden". (APA, 28.4.2016)