Gehen die Einsparungen in Griechenland auch nach 2018 weiter? Die Bevölkerung hat genug. Im Bild ist ein Protest von Landwirten in Thessaloniki gegen geplante Pensionskürzungen zu sehen.

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Der griechische Premierminister Alexis Tsipras hat sich am Mittwoch in Brüssel mit dem Wunsch nach einem EU-Sondergipfel auf Ebene der Staats- und Regierungschefs eine Abfuhr geholt. Das sei derzeit nicht sinnvoll, da "ich überzeugt bin, dass es vorher noch mehr Arbeit gibt, die von den Finanzministern erledigt werden muss", ließ der EU-Ratspräsident nach Telefonaten mit Tsipras und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem wissen.

Statt eines EU-Gipfels solle es "eher in den nächsten Tagen als Wochen" ein Treffen der Eurogruppe geben, so Tusk. Es gelte, "eine Situation erneuter Verunsicherung zu vermeiden". Damit stellte er – vorläufig – klar, dass es im Ringen um Reformmaßnahmen für die Freigabe von rund fünf Milliarden Euro aus dem im vergangenen Juli vereinbarten dritten Hilfsprogramm keine "politische Lösung" geben könne, wie Tsipras hoffte.

Beim Treffen der Eurofinanzminister am Wochenende in Amsterdam haben die Gläubiger von der griechischen Regierung zusätzliche Garantien verlangt. Man hatte auf eine Einigung binnen Tagen gehofft, das geplante Eurotreffen für Donnerstag wurde abgesagt.

Kurze Verhandlungsrunde

Die letzte Verhandlungsrunde mit den Kreditgebern hatte am Vortag in Athen nur noch eine halbe Stunde gedauert, dann riss Alexis Tsipras der Geduldsfaden. Als sein Finanzminister am Dienstagabend mit leeren Händen zu ihm kam, entschied der linke Regierungschef, wieder die politische Karte zu spielen: mit der Forderung nach einem Sondergipfel.

In Athen werden Erinnerungen an den Krisensommer von 2015 wach. Seit drei Monaten zogen sich die Verhandlungen im Hotel Hilton über die Auszahlung der nächsten Kreditraten hin. Es droht im Juni die Zahlungsunfähigkeit. Festgefahren haben sich die Gespräche an der Forderung der Geldgeber, das Parlament müsse "auf Vorrat" per Gesetz konkrete Sparmaßnahmen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro beschließen – ein präventives "Notpaket". Diese würden umgesetzt, wenn Griechenland Ende 2018 das vereinbarte Ziel im jüngsten Kreditabkommen verfehlt: einen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung vor Abzug der Kreditzinsen. Dies verlangt der Internationale Währungsfonds (IWF). Anders als es Athen darstellt, tragen auch die übrigen Kreditgeber die Forderung mit, voran Deutschland, Österreich oder die Niederlande. Tsipras nennt das "Erpressung".

Viertes Sparpaket im Gespräch

Das war schon sein Vorwurf im vergangenen Jahr, als sich die Kreditgeber von IWF, Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Euro-Rettungsschirm (ESM) stur stellten, Griechenland nur knapp am Hinauswurf aus der Eurozone vorbeikam. In der linken Syriza wie bei der Opposition ist bereits von einem vierten Sparpaket die Rede. Die Forderung der Kreditgeber nach zusätzlichen Sparmaßnahmen sei der Preis für die Unzuverlässigkeit Tsipras', sagte der Chef der konservativen Nea Dimokratia, Kyriakos Mitsotakis. Er will den Rücktritt des Premiers. Neuwahlen scheinen auch eine große Versuchung für Tsipras zu sein.

Die IWF-Forderung geht auf einen ungelösten Konflikt zwischen den Kreditgebern des Landes zurück. Der Währungsfonds schätzt die Finanzlage Griechenlands schlechter ein als die Europäer. Ursprünglich pochte der IWF-Chefverhandler Poul Thomsen auf einen richtigen Schuldenschnitt für Athen, Erlassung eines Teils der Schulden des Landes.

Streit um Nachhaltigkeit

Der IWF tut sich damit leichter, nach internationalen Gepflogenheiten nimmt der Währungsfonds selbst nicht an Entschuldungen teil, seine Gelder sind also "sicher". Für die Euroländer kommt ein Haircut nicht infrage. Sie sind nur bereit, Griechenland mehr Zeit für die Rückzahlung seiner Schulden einzuräumen, die zum Teil aber schon derzeit sehr lange Laufzeiten von mehr als 30 Jahren haben. Auch die ohnehin niedrigen Zinsen könnten nochmal gesenkt werden: Das wird dem griechischen Finanzminister aber kaum große Entlastung bringen, weil das Zinsniveau bereits nahe an der Refinanzierungsquote liegt.

Die Logik der IWF-Vertreter lautet: Wenn nur ein "Mini"-Entschuldungspaket kommt, müssen die Einsparungen tiefer ausfallen, damit der Staatshaushalt des Landes nachhaltig saniert wird.

Beim Finanzministertreffen in Amsterdam hatte man sich mit Athen im Prinzip bereits auf die aktuell nötigen Maßnahmen verständigt. Neben Einschnitten bei Zusatzpensionen und Obergrenzen für Renten bei 2300 Euro pro Monat soll es neben Privatisierungen vor allem einnahmenseitige Maßnahmen geben: Erhöhung der Mehrwertsteuer von 23 auf 24 Prozent, Erhöhungen der Abgaben auf Tabak, Treibstoff. (Markus Bernath aus Athen, Thomas Mayer aus Brüssel, András Szigetvari, 27.4.2016)