Die Marillenblüte in der Wachau hat heuer bereits zu Ostern begonnen.

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Wien – "Auf die Haselnuss kann man sich immer weniger verlassen", sagt Thomas Hübner von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Ist es ein paar Tage warm, öffnen sich schon die Blüten und streuen Pollen aus. Gewöhnlich fällt das in den Vorfrühling, mit dem Klimawandel "springt der Zeitpunkt der Blüte mehr und mehr hin und her" und irrlichtert durch die ersten Monate des Jahres.

Hübner beschäftigt sich mit Phänologie, also den jahreszeitlich bedingten Erscheinungen der Natur und damit der Frage, wie sich diese durch die Erderwärmung verändern. Diese Naturbeobachtung, die die ZAMG bereits seit 1851 durchgeführt, erfolgt heute mithilfe von Freiwilligen. Mittlerweile kommt eine Smartphone-App zum Einsatz, mit der Bilder des Entwicklungsstandes von Pflanzen gesammelt werden.

Abläufe in der Natur vermitteln

Jährliche Aktionen, die sich an eine breite Öffentlichkeit richten, sollen Wissen und Bewusstsein um die Abläufe in der Natur vermitteln und die Datengrundlage der Forscher verbessern. Heuer stehen im Rahmen des Bürgerbeteilungsprojekts "Obst verrückt" von April bis September Obstpflanzen im Fokus. Eine Hoffnung der Forscher ist, dass damit auch neue langfristige Naturbeobachter gewonnen werden können. Seit kurzem ist die Methodik auch in einem phänologischen Garten an der ZAMG in Wien erfahrbar.

Für Hübner ist die kontinuierliche Beobachtung der Natur ein einfaches Instrument, mit dem jeder Mensch auch selbst die Auswirkungen des Klimawandels nachvollziehen kann, ohne den Ergebnissen der Klimaforscher blind glauben zu müssen. "Wer sich ausreichend lang damit beschäftigt, wird einen Trend zu früherem Austrieb, Blüten- und Fruchtbildung erkennen."

Frühe Blüten, später Herbst

Die Daten, die an der ZAMG einlangen, werden in Kontext zu langfristigen Beobachtungszeiträumen gesetzt. Digitalisiert ist eine Zeitreihe seit 1946 vorhanden. Daran ist auch gut ablesbar, wie sich die Vegetationsperiode durch den Klimawandel verändert hat. In Österreich beginne der Frühling mit den ersten Blüten und dem Beginn des Laubaustriebs gegenwärtig um etwa sieben bis zehn Tage früher als vor 30 Jahren. Auch der Beginn der Laubverfärbung im Herbst habe sich um einige Tage nach hinten verschoben, erklärt Hübner. "Die Vegetationsperiode ist in den letzten Jahrzehnten also um bis zu zwei Wochen länger geworden."

Auch wenn die Entwicklung der Pflanzen durch die derzeitige Kälte wieder etwas gebremst wird, erwachte die Natur heuer "tendenziell etwas früher, blieb aber mehr oder weniger im Rahmen eines langjährigen Durchschnitts", so Hübner. Wesentliche Ausreißer gab es zuletzt etwa 2008 mit einem besonders frühen Vorfrühling oder 2011, als nach einem normalen Frühlingsstart dann im April ein unglaublicher Entwicklungsschub einsetzte.

Fruchtreife künftig wohl früher

Die Phänologen unterscheiden insgesamt zehn Jahreszeiten, die mit Entwicklungsphasen diverser Pflanzen eintreten. Jetzt, Ende April, befindet sich Österreich – trotz Kälte – im Vollfrühling, der durch das einsetzende Blühen des Flieders gekennzeichnet ist. Den Beginn des Spätherbsts markiert etwa der Blattfall der Stieleiche.

Mit zunehmender Erwärmung ist es wahrscheinlich, dass Austrieb und Fruchtreife künftig noch früher einsetzen. Der Herbst werde sich dagegen kaum nach hinten ausdehnen, weil der Blattfall stark von der Tageslänge abhängt. Warme Winter wirken sich auf die Verbreitung von Schädlingen und auf das Verhalten von Pflanzen wie der Süßkirsche aus. Sie benötigt eine bestimmte Anzahl kalter Tage, um wieder blühfähig zu werden. Hübner: "Diesbezüglich dienen die Beobachtungen auch als Indikator, wie wir die Landwirtschaft anpassen können." (Alois Pumhösel, 28.4.2016)