Tenor Yusif Eyvazov absolviert in dieser Spielzeit gleich mehrere Debüts an wichtigen Häusern. Und bei den Salzburger Festspielen – in "Manon Lescaut" zusammen mit seiner berühmten Frau.

Foto: Robert Newald

STANDARD: Puccinis "Turandot" scheint zu Ihrer Schicksalsoper zu werden. Vergangenen Oktober sind Sie an der Met in New York kurzfristig als Calaf eingesprungen und haben dort Ihr Debüt gefeiert, nun geben Sie die Partie erstmals an der Wiener Staatsoper, für Ihren erkrankten Kollegen Johan Botha. Stimmt es, dass Sie die Anfrage der Staatsoper im Urlaub erreicht hat?

Eyvazov: Ja, ich habe gerade Urlaub auf den Bahamas gemacht, nach einer anstrengenden Konzerttournee mit meiner Frau durch Asien. Ich hatte noch einen argen Jetlag ... Normalerweise hätte ich nicht zugesagt, aber wenn so ein Angebot von der Wiener Staatsoper kommt: Das ist wie ein besonders gutes Stück Torte. Da schlägt man zu! Ich bin also sofort von den Bahamas nach Wien zu den szenischen Proben geflogen, nach einer Woche dann nach Los Angeles zu zwei Konzerten, und dann wieder zurück nach Wien zu den musikalischen Proben. Wenn man in seiner Karriere noch eher am Anfang steht, muss man manchmal so verrückte Sachen machen.

STANDARD: Der Calaf ist wahrscheinlich eher eine angenehme Partie und bietet überschaubare Schwierigkeiten, verglichen mit anderen großen Tenorpartien des italienischen Fachs.

Eyvazov: Das stimmt. Wenn ich jetzt statt Calaf den Otello oder den Des Grieux in Manon Lescaut hätte singen müssen, hätte ich nicht zugesagt. Da braucht man mehr Zeit zur Vorbereitung. Anna und ich haben uns den April freigehalten, sie um die Elsa in Lohengrin zu studieren (die sie an der Semperoper singen wird, Anm.), und ich für den Otello. Ich hätte den Otello im Juni am Mariinski-Theater singen sollen, aber da ich jetzt im April in Wien Turandot mache, habe ich Valery Gergiev gebeten, den Spielplan zu ändern, und ich mache dort jetzt Turandot.

STANDARD: Bei der Partie des Calaf ist der größte Druck wohl der, dass jeder auf "Nessun dorma" wartet.

Eyvazov: Ich verrate Ihnen jetzt etwas: Nessun dorma ist gar nicht so schwer zu singen. Wenn man die Höhe hat, ist es kein Problem. Davor gibt es aber einige schwierige Stellen, zwei hohe C, die muss man erst einmal hinbekommen.

STANDARD: Wie ist denn Ihr Auftritt an der Met gelungen?

Eyvazov: Ich hatte keine Bühnenprobe und keine Orchesterprobe, bin einfach ins kalte Wasser gesprungen. Aber es war wie im Traum, es hat perfekt funktioniert. Meine erste Turandot an der Met habe ich in einer Mittagsvorstellung gesungen, bin von dort in den Flieger nach Wien und weiter nach Graz, wo ich mit Anna ein Konzert gesungen habe. Und dann wieder zurück nach New York zur zweiten Turandot-Vorstellung. Komplett verrückt!

STANDARD: Wenn Sie die Zeffirelli-Inszenierung an der Met mit der Neuinszenierung von Marco Arturo Marelli vergleichen – sind die sehr unterschiedlich?

Eyvazov: Komplett. Die Zeffirelli-Inszenierung ist eine klassische Produktion, wie La Bohème hier. Marelli ist ein wundervoller Regisseur, ich glaube, das Publikum wird seine Inszenierung lieben! Er arbeitet sehr professionell und ist rücksichtsvoll: Er erkundigt sich immer, ob man sich wohlfühlt mit seinen Instruktionen. Wenn das nicht so ist, versucht man gemeinsam, einen Kompromiss zu finden. Eine Sache darf ich vielleicht schon verraten: Ich werde am Anfang als Puccini auf der Bühne sein, der eine zusätzliche Figur der Inszenierung sein wird.

STANDARD: Und wie war die Zusammenarbeit mit Gustavo Dudamel? Er ist als ein sehr leidenschaftlicher Dirigent bekannt, arbeitet wie Sie zum ersten Mal an der Staatsoper.

Eyvazov: Er stellt sich schnell auf Situationen ein, nimmt Rücksicht auf uns Sänger, wir besprechen unsere Probleme gemeinsam mit ihm, und man findet zusammen. Er ist ein toller Musiker!

STANDARD: Im Sommer singen Sie den Des Grieux bei den Salzburger Festspielen, zusammen mit ihrer Frau Anna Netrebko. Da werden wahrscheinlich Erinnerungen hochkommen, Sie haben einander ja in Rom bei einer "Manon Lescaut"-Produktion kennengelernt.

Eyvazov: Genau. Es war aufregend: Es war mein Debüt an der Oper in Rom, ich habe das erste Mal mit Riccardo Muti gearbeitet, ich habe das erste Mal mit Anna gesungen ...

STANDARD: Bitte erlauben Sie eine Frage aus der Kategorie Klatschpresse. Wie haben Sie Anna Netrebkos Herz gewonnen?

Eyvazov: Ich war komplett fokussiert auf meine Arbeit, Anna war nur eine Bühnenpartnerin für mich. Als ich später merkte, dass wir Interesse aneinander hatten, habe ich dem zuerst nicht getraut. Mein Gott, sie ist ein großer Opernstar, eine Diva, das kann doch nicht sein ... Als die Romanze dann begonnen hat, war alles ganz leicht, nach der Premierenserie hatten wir noch drei, vier wunderschöne gemeinsame Tage in Rom. Als wir uns danach getrennt haben – Anna musste zurück nach New York, ich nach Mailand – haben wir beide realisiert, dass wir nicht mehr ohneeinander sein können und wollen.

STANDARD: Das war vor etwa drei Jahren. Seitdem leben Sie in Wien?

Eyvazov: Die meiste Zeit. Ich liebe diese Stadt, sie ist die schönste in Europa! Der Reichtum an Kultur und Architektur! In Wien ist alles so sauber und funktioniert immer. Wenn die Menschen etwas versprechen, halten sie es. Vom Essen will ich gar nicht reden! (Stefan Ender, 27.4.2016)