Die Universität Breslau schmückt sich für die Kulturhauptstadt.

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Breslau – Jahrelang wurde gebaut, renoviert und vorbereitet: Dieses Jahr will sich Breslau als europäische Kulturhauptstadt von seiner schönsten Seite präsentieren. Das kulturelle Bild der Stadt wird nicht zuletzt auch durch einen sehr hohen Anteil an Studierenden geprägt. Auf 630.000 Einwohner kommen knapp 150.000 Studierende. Das ist ein weitaus größerer Anteil als beispielsweise in Berlin (160.000 Studierende bei 3,5 Millionen Einwohnern) oder Wien (190.000 Studierende bei 1,8 Millionen Einwohnern).

"Wenn ich nur wegen des Studiums nach Breslau gekommen wäre, dann würde ich vor allem das rege Nachtleben sehr schätzen", sagt Amadeusz Stepien, der aus der Stadt stammt und derzeit Radio- und TV-Journalismus an der Universität Breslau studiert. Die meisten der Lokale befinden sich in unmittelbarer Nähe des zentralen Marktplatzes. Der Platz, der Rynek genannt wird, stellt den kulturellen Mittelpunkt der Stadt dar und war Mitte Jänner auch Schauplatz der Eröffnung der Kulturhauptstadt 2016.

Politischer Einfluss auf Unis

Den Titel als Kulturhauptstadt, den sich Breslau dieses Jahr mit dem spanischen San Sebastián teilt, wollte man auch nutzen, um als weltoffene Touristenstadt attraktiver zu werden. Seit der polnischen Parlamentswahl im Oktober 2015 hat die international umstrittene Regierung unter Führung der PiS ihren Einfluss auf den Verfassungsgerichtshof und die öffentlich-rechtlichen Medien massiv ausgeweitet.

Robert Alberski, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Breslau, befürchtet, dass die Regierung auch ihren Einfluss auf die Hochschulen vergrößern werde. "Die Gelegenheit dazu wird die Wahl der Rektoren und Dekane sein, die in den nächsten Monaten stattfindet. An vielen Universitäten, auch in Breslau, gibt es Kandidaten, die stark mit der regierenden Partei verbunden sind."

Kein Einfluss auf Politik

Laut Alberski nehme der große Anteil an Studierenden aber keinen Einfluss auf die Politik in der Stadt: "Polnische Studenten sind heute politisch nicht sehr aktiv, viel weniger als Studenten in Deutschland und Österreich." Der Politikwissenschafter glaubt auch, dass es kein Potenzial für Studentenproteste gegen die Regierung gebe. "Eine große Anzahl Studierender lehnt die ehemalige Regierungspartei PO ab und stimmte für die PiS, die Kukiz-Bewegung und die Partei Korwin. An Demonstrationen des Komitees zur Verteidigung der Demokratie (KOD) beteiligten sich hauptsächlich Menschen über 40, junge Menschen nahmen in der Regel nicht daran teil."

Angesprochen auf die politischen Veränderungen im Land, verweist Stepien auf die Korruptionsskandale und Affären der letzten Regierungsperioden, die wohl auch ein Grund für den Erfolg der PiS waren. "Ich glaube, die meisten Studierenden interessieren sich sehr für Politik. Leider sind sie politisch stark gespalten. Viele sind entweder extrem rechts- oder linksgerichtet."

Vorerst steht Breslau im Zeichen der Kulturhauptstadt 2016, in deren Rahmen bis Ende des Jahres 1000 einzelne Events stattfinden werden. Welche Spuren diese an den Unis und unter den Studierenden hinterlassen werden, wird sich zeigen. (Jakob Pflügl, 30.4.2016)