Österreich hat eine strukturelle rechte Mehrheit, jedenfalls im Denken, manchmal bei Wahlen. Norbert Hofer hat deshalb ausgezeichnete Chancen, weil er von vielen, zum Beispiel der "Presse" für einen "gemäßigten Rechten" gehalten wird. Es ist ein Merkmal Österreichs, dass so viele einen wirklichen, harten Rechten nicht erkennen, wenn sie ihn sehen.

Wird Hofer gewählt, wird er versuchen, in einer künstlichen Notstandssituation das Amt zu benutzen, um eine Orbánisierung Österreichs herbeizuführen. Die bisher nie genutzten verfassungsmäßigen Kompetenzen ("schlafender Riese") geben ihm das Recht dazu.

Im "Profil" wird der frühere Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner, mit folgender Realutopie zitiert: Der Bundespräsident müsse nur die gesamte Bundesregierung entlassen (was er kann), dann "eine ihm genehme Person als Kanzler bestellen", dann "auf Vorschlag dieses Kanzlers die übrigen Bundesminister ernennen" und auf Vorschlag dieser Regierung den Nationalrat auflösen.

Ein Präsidentenputsch, den Norbert Hofer bereits im Wahlkampf so angekündigt hat: Wenn die rot-schwarze Regierung nicht seinen Vorstellungen entspricht, werde er sie entlassen. Man werde schon sehen, was der Bundespräsident alles könne.

Ein solcher Putsch, der innerhalb der Verfassung, aber außerhalb der bisher geübten Realverfassung liegt, würde natürlich gewaltige Gegenwehr hervorrufen – oder? Wahrscheinlich, aber es ist nicht sicher, ob das Erfolg hätte.

Dann kann die Orbánisierung Österreichs beginnen. Außenpolitisch bedeutet das einen Obstruktionskurs in der EU und eine enge Anlehnung an den EU-Feind Putin. Hofer sagt, er würde (statt oder mit dem Kanzler) zu den Gipfeln der EU-Staats- und Regierungschefs fahren. Daran ist schon Klestil gescheitert. Aber Hofer ist ein anderes Kaliber mit anderen Zielen. Klestil wollte im EU-Führungsgremium glänzen, Hofer will es sabotieren.

Orbánisierung im Inneren bedeutet Säuberung der zahlreichen bürokratischen und staatswirtschaftlichen Schlüsselstellen, vor allem auch Justiz, Polizei und Heer. Aber auch Griff in verschiedene Kassen wie Orbán, der die private Rentenversicherung verstaatlicht hat. In Österreich ginge das auf Kosten ausländischer Arbeitskräfte, für die die FPÖ eine eigene, schlechtere Sozialversicherung will. Am sichtbarsten wurden kritische Künstler, Intellektuelle, Medien beschnitten und verfolgt.

Die Frage ist, ob sich das längerfristig verfestigt oder ob die FPÖ an der Regierung wie schon zweimal (1983–1986 Rot-Blau und 2000–2006 Schwarz-Blau) an sich selbst scheitert. Diesmal wäre sie immerhin Kanzlerpartei.

Dass diese Entwicklung noch abzuwenden ist, scheint wenig wahrscheinlich. Die Reaktionen von SPÖ und ÖVP auf die Zertrümmerung ihrer Präsidentschaftskandidaten lässt keine Einsicht erkennen. Diese beiden Parteien sind derzeit nicht zukunftstauglich, schon gar nicht miteinander, dafür hassen sie sich gegenseitig zu sehr.

Einer von den beiden wird eine Koalition mit der FPÖ machen. Der andere kann dann versuchen, sich selbst zu erneuern und Mehrheiten mit neuen Kräften in der politischen Landschaft – Grüne, Neos, Phänomene wie Griss – zustande zu bringen. Bis dahin wird es ein harter Weg. (Hans Rauscher, 26.4.2016)